Heutzutage ist fast alles möglich. Wir haben so viele Optionen. Auch in der Liebe. Aber tut uns das wirklich gut?
Erinnern Sie sich noch an Ihre erste große Liebe? Die tiefen Gefühle, die Sie damals empfunden haben? Die Verknalltheit; die Angst, dass sie nicht erwidert wird; die Hoffnung, dass unser Herzensruf erhört wird? All die Tausend Gedanken und Gefühle, die in unserem Kopf und Herzen Achterbahn fuhren und in die wir uns derart reingesteigert haben, dass uns dabei fast übel wurde? Nehmen Sie sich einfach mal zwei Minuten (jeder Tag hat 1440 davon), schließen Sie die Augen und denken Sie an diese Zeit zurück. Malen Sie sich aus, wie es war, verliebt zu sein. Versuchen Sie noch einmal zu fühlen, was Sie damals gefühlt haben. Jetzt – Ausreden zählen nicht!
Fühlt sich gut an, oder?
Was ist von all diesen intensiven Gefühlen heute noch übrig geblieben? Manchmal stelle ich mir diese Frage. Die erste Liebe, vielleicht auch noch die zweite und dritte. Alles Neuland, alles so unvertraut ersehnt. Zehn, zwanzig Jahre später hat sich eine Routine eingeschlichen, sogar in das Verlieben. Es tut weh, das zuzugeben.
Was ist heute anders als damals? Sind es wirklich nur die Wiederholung und Gewohnheit, die der Liebe zusetzen?
Ich glaube nicht. Es gibt so etwas wie die reife Liebe, die wir in unseren Zwanzigern, Dreißigern und später im Leben fühlen und genießen dürfen und die der ersten großen Liebe an Intensität in nichts nachstehen muss. Im Gegenteil. Denn die reife Liebe wird (noch) tiefer sein und neue, aufregende Seiten in uns selbst und beim anderen zutage fördern.
Was ist es also dann? Stumpfen wir ab?
Vielleicht ist es unser Stumpfwerden. Abstumpfen. Wir haben heute zu viele Optionen. Liebesoptionen. Das hat zwei Gründe.
Zum einen sind wir offener als früher. Das heißt, wir sind der (amourösen) Begegnung mit neuen Menschen und der Vertiefung dieses Kontakts gegenüber prinzipiell offener eingestellt als beispielsweise unsere Großeltern-Generation. Im Mittel zumindest.