Ich hätte dich gerne näher kennengelernt

Wochenlang lernten wir uns kennen. Glaubte ich. Jeden Tag, jedes Treffen ein wenig mehr. Und irgendwann traute ich mich tatsächlich, dir ein paar warme Worte ins Ohr zu flüstern. Dabei küsste ich deinen Nacken und Haaransatz, meinte bei meinen Worten und Küssen ein leichtes Zittern wahrzunehmen und deutete es so, als fühlten wir im Gleichklang.

Heute weiß ich, dass ich dir lieber in die Augen hätte sehen sollen, wie damals im Fahrstuhl. Aber ich küsste nur deinen Nacken und bald waren wir schon wieder eng umschlungen am Spielen.

Ich meinte dich, genau dich. Denn ich hatte in diesem Moment gedacht, dich zu kennen. Verliebtheit meint einen Menschen. Aber was, wenn wir nur die Hülle dieses Menschen kennen?

Wir gingen zusammen zur Uni, kochten, teilten das Bett. Manchmal träumten wir auch gemeinsam. Pläne schmiedeten wir keine. Es war nur Jetzt-Zeit. Ich liebte es, dir einfach in die Augen zu sehen. Dein Strahlen brachte vieles in mir zum Schmelzen. Ich ließ mich fallen, tiefer und tiefer, mit jedem deiner Blicke.

Aber jetzt weiß ich: Du hattest längst begonnen, durch mich hindurchzusehen. Dein Strahlen meinte nicht mehr mich. Es war einfach nur ein Selbstschutz, kein Versprechen auf eine gemeinsame Zukunft, auf ein Miteinander.

Ich hätte dich gerne getroffen, ins Herz. Aber wir sind leider nur ein paar Schritte miteinander gegangen, haben unsere Zeit geteilt, unsere Körper. Ich meinte dich, aber du meintest wohl etwas Anderes. Du sahst mich an, aber das machte keinen Unterschied. Es ist rätselhaft, wie viel man zu wissen meint, ohne die Wahrheit zu kennen.


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