Viele Menschen klammern sich an Vergangenes und können nicht loslassen. Andere schließen nicht ab, sondern ihre Erinnerungen weg. Warum es einen Mittelweg braucht und wie wichtig frühere Beziehungserfahrungen sind, weiß beziehungsweise-Autorin Jule Blogt
Ich bin nicht stolz darauf, wie meine Trennung vor einigen Jahren verlief. Eine über 7 Jahre andauernde Beziehung mehr oder weniger von jetzt auf gleich zu beenden, das ist nicht die angenehmste Erinnerung in meinem Kopf. Zu Beginn habe ich diesen einschneidenden Moment gerne ausgeklammert. Vergangen ist vergangen. Vor meine Erinnerungen habe ich ein Schloss gehängt, und versucht, sie mit samt dem Schlüssel im tiefsten Teich meines Unterbewusstseins zu entsorgen. Es brauchte ganze 2 Jahre, bis ich begriff, dass das, was in diesem tiefen Teich schlummerte, eigentlich ein Schatz war.
Ich hatte keine Chance, einen passenden Partner zu finden
Ganz behutsam tauchte ich zu den vergangenen Erinnerungen. Ich drehte, wendete sie und versuchte, die Trennung nun von außen zu betrachten. Das Bild, welches sich ergab, war ein ganz anderes, als das, was ich vor zwei Jahren zu versenken versuchte. Je intensiver ich mich mit meinen Erinnerungen beschäftigte, desto klarer wurde mir, welche Schlüsse ich daraus für meine zukünftige Beziehung ziehen konnte.
Schließlich reifte in mir die Erkenntnis, dass ich bis zu diesem Zeitpunkt gar keine Chance hatte, einen passenden Partner zu finden, war mir doch nicht bewusst, was ich eigentlich von ihm erwarten würde. Ich unterlag dem Irrtum, dass „Loslassen“ genau das Richtige wäre, sobald eine Beziehung in die Brüche geht. Loslassen und all die Erinnerungen im Teich des Unterbewusstseins ertränken. Mit den Erinnerungen versenkt man jedoch ebenfalls etwas ganz Wertvolles: die Erfahrungen.
Erfahrungen aus vergangenen Beziehungen als Geschenk betrachten
Eine lange Beziehung geführt zu haben, ist eine Leistung. Ich bin durch gute und schlechte Zeiten gegangen, habe Streit, Verletzung und Eifersucht durchlitten, nur um am Ende festzustellen, dass das alles eigentlich halb so schlimm war. Ich entwickelte Strategien, die es mir erlaubten, die Beziehung als Geschenk zu sehen, auch wenn es gerade mal mies lief. Während meiner langen Partnerschaft bin ich erwachsen geworden.
Diese ganzen erlernten Verhaltensweisen, die ganze gewonnene Lebenserfahrung, habe ich trotzdem einfach versenkt, nachdem ich wieder allein durchs Leben ging. Ich habe sie nicht als das angenommen, was sie war: ein Geschenk. Um sich selbst und die zukünftigen Beziehungen zu entwickeln, sind es aber genau die Erfahrungen, die wir benötigen. Dazu zählen nicht nur die schönen Momente, sondern auch genau die, die wir so gerne versenken möchten. Verletzungen, Enttäuschungen, Herzschmerz, all das sollten wir uns bewusst machen, um die richtigen Schlüsse daraus ziehen zu können.
Nostalgie trägt zu glücklicheren Beziehungen bei
Loslassen, schön und gut. Aber wir sollten dabei einen Unterschied machen: Anstatt Vergangenes zu vergraben oder in den dunklen Teich des Unterbewussten zu verschieben, sollten wir die Erinnerungen in besonders hübsches Papier verpacken, eine Schleife darum binden und uns gestatten, das Geschenk zu jeder Zeit zu öffnen. Wir können es um Rat fragen, darin nach schönen Erinnerungen stöbern oder es einfach in ein Regal stellen. Wie eine Art Trophäe hätte es einen ganz besonderen Platz. Genau den, den eine so besondere Zeit des Lebens verdient. Das gibt uns die Chance, unsere zukünftigen Beziehungen weiser und damit erfolgreicher zu gestalten.