Gastautor Leon Reinhardts über einen Abschied, der ein tiefes Loch in ihm aufriss und zugleich einen Neuanfang darstellen wird
Du gingst heim und warst fort für mich, außerhalb der Reichweite meiner Arme.
Dein Herz hatte sich schon länger von dem meinen fortbewegt. Das ist dir heute klargeworden, vorhin auf dem Sofa, als du in meinem Schoß heultest. So wurde aus deiner Ahnung des zunehmenden Unglücklichseins die schreckliche Gewissheit, dass du gehen musstest, dass es zu Ende war, das mit uns, das so explosionsartig begonnen hatte und schön weitergelaufen war.
Jetzt also noch eine Explosion, die letzte zwischen uns.
Mich schüttelt es durch, ich stehe am Fenster. Ich habe Bier gekauft, mehr als eins, aber ich kriege nichts davon runter, kann nichts essen, nichts in mich reinstopfen, um das neue frische Loch zu füllen, das dein Fortgehen eben gerade aufgerissen hat. Deichbruch. Die blühende, verwelkte Landschaft unserer Beziehung wurde weggespült.
Du gingst fort, in ein anderes Leben, ein Leben, das ich nicht kennen werde, in dem ich nicht vorkomme, in dem ich dich nicht lieben kann. Es entsteht gerade, ob ich will oder nicht, dein Leben nach mir. Jetzt begreife ich, dass aber auch ich dadurch ein Leben nach dir beginne.
Aber: Ich vermisse deine weiße Haut, deine blauen Augen, deine Tränen, deinen Hass.
Ich vermisse das Leben, wie es war. Deinen so eigenen Geruch, der sich gerade noch immer in allem festbeißt, das sich in Reichweite meiner Arme befindet, hier im Zimmer mit dem Fenster, an dem ich erstarrt stehe und raus auf die Straße gaffe.
Es ist Frühling, warm und sonnig, und auf dem Asphalt sind keine Spuren von dir.
Ich trinke doch, aber da ist nichts, das ich spüre. Nur das Beben in Schüben, wenn ich an dich denke, wenn mich das alles, was eben passiert ist, wieder übermannt. Diese schreckliche Gewissheit: Es endete, es liegt bereits in der Vergangenheit und deine Wärme lebt an einem anderen Ort fort. An einem Ort, an dem ich nicht mehr sein werde, an den ich nicht mehr fahren kann, weil er in der Vergangenheit liegt und diese leider schwere Tore hat, Tore, die ich nicht durchschreiten kann, Tore, zu schwer für alles, was ich bin.
Ich habe dich geliebt. Und hier am Fenster weiß ich: Auch jetzt liebe ich dich. Nachwehen. Nachliebe. Gardinen im Windzug. Du fährst zum Horizont.