Die Macken meines “Prinz William”

Perfekt unperfekt. Als Mädchen schwärmte sie von Prinz William. Zuhause hat sie aber den Rebellen Harry. Ein Leserbeitrag von R.

Wenn sich sein Arm pünktlich zum Sonnenaufgang um meinen Oberkörper hangelt und mich zu sich zieht, bin ich wach. Er nicht. Ich schon.

Mich erstaunt immer wieder, dass dieser Mann einfach weiter schlafen kann. Ich könnte seinen Arm abschneiden, um aus seinen Klammern zu entweichen, und ich bin mir sicher: Es würde seinen Schlaf nicht stören.

Es wäre bereits eine Erleichterung, würde er wenigstens tagsüber seine Konzentration auf die wesentlichen Dinge richten. Aber diese besondere Eigenschaft, dass ihnen einfach alles so gut wie egal ist, haben wohl alle Männer – leider nicht nur im Schlaf. Die Krönung daran ist, dass ihnen nicht alles so gut wie egal ist. Nein, Männern ist alles völlig egal.

Wir sollten die Fehler unseres Partners mit Humor nehmen

Wie kann es ihn nicht stören, dass seine fürs Wochenende gepackte Tasche ihren Platz mitten ins Apartment gefunden hat? Und drum herum auf dem Boden seine Klamotten? Ich mochte schon als Mädchen nicht aus Taschen und Koffern leben. Selbst wenn es sich nur um eine Übernachtung handelte, habe ich in jedem Hotelzimmer meine Sachen fein säuberlich in den Schrank geräumt. Zugegeben, fein säuberlich waren sie dann auch nur einen Tag.

Als kleines Mädchen sehnte ich mich nach Prinz William. Mit Blick auf das Chaos freunde ich mich wohl besser mit dem Gedanken an, dass ich wohl Prinz Harry und nicht Prinz William auserwählt habe. Harry rebelliert stets gegen die Abkommen des Königshauses. Er ist das Sorgenkind. Prinz William dagegen ein Muster von Loyalität und Verantwortungsbewusstsein.

Im Bad erlebe ich wieder: Ja, ich habe den Rebell zuhause.

Ich habe noch nie persönlich miterleben dürfen, wie mein Harry die Toilettenrolle gewechselt hat. Sonst hätte ich ihm gezeigt, dass seine Tätigkeit eben nichts mit Wechseln zu tun. Die angebrochene Rolle steht dann quer abgerissen auf dem nassen Wachbecken, während die leere seelenruhig dort hängt, wo sie bereits auch „voll“ ihren Platz hatte.

Sollte ich ein Experiment wagen? Was, wenn ich sein Kunstwerk nicht entsorgen würde? Wo würde sich irgendwann die dritte Rolle finden? Neben der zweiten, leeren auf dem Waschbecken? Ineinander verschachtelt? Oder würde er ein anderes kreatives Plätzchen wählen?

Fehler sind die Quelle unseres unbewussten Verlangens

Die Zeit drängte, denn wir würden uns gleich mit meinen Arbeitskollegen zum Kegel-Brunch treffen. Ich wusste bereits, dass mein Harry es nicht rechtzeitig schaffen würde. Zuspätkommen wird immer meinem Geschlecht angemaßt – aber die wahren Übeltäter sind ja wohl die Männer. Denn jedes Mal wird bis auf den letzten Drücker gewartet. Dann, kurz vor Start, begibt sich der Herr ins Bad und putzt seelenruhig seine Zähne. Ich frage mich, was in der weiteren Zeit passiert. Sich vielleicht selbstverliebt im Spiegel anstarren und taktweise den Bizeps anspannen oder vielleicht doch seine Haare perfektionieren, die am Ende doch immer gleich aussehen?

Schließlich kommen wir zu spät an und ich weiß, dass das hier nichts mit Spaß zu tun haben wird. Die anderen haben bereits angefangen und in den ersten Runden wurde uns die Punktzahl Null aufgeschrieben. Null Punkte. Das Verlieren fällt jedem mir bekannten Mann schwer. Wahrscheinlich war es bereits in der Steinzeit für sie wichtig, als bester Jäger die höchste Anerkennung zu bekommen. Und wenn mein Mann verliert, geht es richtig los.

Doch bei seinem zweiten Wurf passiert es. Er wirft alle Neune.

Mein Freund ist kein Fan öffentlicher Liebesbekenntnisse. Aber jetzt strahlt er mich mit seinen blauen Augen an. Auf seiner Parfumwolke, die mich jedes Mal von allen Willen befreit, kommt er angeflogen und gibt mir einen seiner wertvollen Küsse.

Ich schmelze dahin und mein Herz fängt an, Achterbahn zu fahren. Ehrlich: Mein Rebell darf die Klorollen hängen, wohin er will. Er darf mich wecken wie er will, wenn ich ihn dann nur schlafend anschmachten darf.

Naja, wenigstens wenn ich nicht gerade einen ganz schlechten Tag vor mir habe. In solchen Momenten wird mir stetig aufs Neue klar, dass auch ich meine Macken habe. Wir sollten uns vor Augen halten, warum es genau dieser Mensch ist, den wir trotz Ecken und Kanten niemals gehen lassen würden. Außerdem ist es gar nicht so einfach an einer vollkommen abgerundeten Sache festzuhalten. Oder haben Sie schon mal versucht, eine Kegelkugel ohne Löcher zu heben? Nein? Ich auch nicht!

Vielleicht sollten wir die Fehler unseres Partners mit Humor nehmen und daran denken, dass genau diese Fehler die Quelle unseres unbewussten Verlangens sind. Denn wie sang Mateo gleich: Du bist perfekt unperfekt.

Danke, Mateo. Mir ist nun wieder einmal klar, jede Macke der Welt würde meinen Harry nicht daran hindern, mein persönlicher Prinz William zu sein.


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