Der Pfirsich und die Partnerwahl

Wie schnell sich die Wahrnehmung und die Sichtweise auf die Beziehung ändern kann. Eine Parabel von Veronika Krytzner

Wir machen einen Einkaufsbummel: Stellen Sie sich vor, Sie gehen über den Markt, schauen sich die Stände an. Am Obststand bleiben Sie stehen. So viel schönes knackiges frisches Obst. Da fällt die Entscheidung erst nicht leicht. Äpfel, Birnen, Bananen?

Da liegen sie ausgebreitet: Pfirsiche! Was ganz besonderes! Kennen Sie diese typischen dreieckigen braunen Tüten? In so eine Tüte packt der Verkäufer alle Pfirsiche.

Zu Hause öffnen Sie diese Tüte – sie knistert so schön. Als erstes nehmen Sie diesen fruchtig-süßen unverkennbaren Duft der Pfirsiche wahr. Dann greifen Sie zum ersten Pfirsich. Wunderbar samtig fühlt er sich an, die Farbe ist ein schönes rot-gelb, prall und ein wenig fest liegt er in der Hand. Ein Prachtexemplar! Auch der nächste Pfirsich ist ein wahres Meisterstück – etwas weicher, zarter, und er verströmt diesen Duft, der an Sommer erinnert. So holen Sie jeden Pfirsich aus der Tüte, betrachten ihn genau, erfreuen sich an ihm – einer ist etwas größer, der andere etwas härter, der eine ist etwas saftiger, der andere ist etwas rötlicher. Jeder auf seine Art etwas unterschiedlich und doch sind es perfekte Pfirsiche, die das Herz höher schlagen lassen.

Alle haben irgendwo einen kleinen Fehler

Doch dann! Dann greifen Sie in die Tüte und schon beim Herausnehmen des Pfirsichs spüren Sie, da stimmt etwas nicht! Der Pfirsich ist sehr weich, ein wenig zu weich. In der Hand entdecken Sie es, der Pfirsich hat matschige Stellen. Sie schauen genauer hin, am Rand dieser matschigen Stellen entdecken Sie diese typischen weißlichen Flecken. Der Pfirsich ist nicht nur matschig, der ist schimmelig! Wie kann es der Verkäufer nur wagen, Ihnen diesen schimmeligen Pfirsich unterzuschieben? Sie ärgern sich ein wenig und schauen auf die anderen Pfirsiche. Plötzlich sehen sie nicht mehr so perfekt aus. Sorgfältig untersuchen Sie jeden einzelnen Pfirsich auf eine matschige Stelle. Mit Argusaugen betrachten Sie das samtige Äußere, mit den Fingern überprüfen Sie die Festigkeit. Lässt sich da was finden?

Ah, hier ist der Pfirsich auch nicht mehr so fest. Und da ist schon eine kleine braune Stelle. Plötzlich finden Sie die Pfirsiche nicht mehr so wunderbar. Sie alle haben irgendwo einen kleinen Fehler. Unzufrieden schauen Sie auf die Schale Pfirsiche.

Sie fragen sich bestimmt schon die ganze Zeit, was hat diese Geschichte mit meiner Beziehung zu tun? Rollen wir die Geschichte mal anders auf:

Als Single sind Sie über den „Marktplatz“ gewandert und haben sich Männer angeschaut. Wer ist interessant? Wer ist ein idealer Partner? Irgendwann haben Sie ihn entdeckt. Man lernt sich näher kennen. Voller knisternder Spannung beobachten Sie ihn. Er öffnet sich und zeigt, wer er ist. Wunderbar! Genau das, was Ihr Herz höher schlagen lässt. Der Anblick, der Geruch und Charaktereigenschaften, die Sie glücklich machen. Es ist eine aufregende Entdeckungsreise!

Kein Mensch ist perfekt!

Doch eines Tages entdecken Sie eine Macke, eine Eigenschaft – die Sie stört, Sie ärgert oder vielleicht sogar wütend macht. Plötzlich ist er nicht mehr so wunderbar. Der Traummann ist ein ganz normaler Mann, ein Mann ohne glänzende Rüstung und ohne Pferd. Die vorher so wunderbaren Eigenschaften nehmen Sie nun durch die matschige Pfirsich-Brille wahr. Der Putz bröckelt. Der Glanz schwindet.

Willkommen Realität!

Kein Mensch ist perfekt! Jeder hat seine Schwächen! Und manche Eigenschaften bringen einen wirklich auf die Palme. Die Frage ist, wie gehen Sie damit um? Worauf richten Sie die Aufmerksamkeit? Für welche Brille entscheiden Sie sich?

Schauen wir doch nochmal auf den matschigen Pfirsich. Vielleicht sieht er von außen nicht mehr so schön aus, vielleicht ist er auch nicht mehr genießbar – aber er hat einen guten Kern. Manchmal ist gerade das, was Sie bei dem anderen so auf die Palme bringt, das, was triggert – unglaublich wertvoll. Es bringt einen zu seinem Kern! Es geht nicht um ihn. Oft bringt der andere wie ein Spotlicht die Punkte an das Tageslicht, die einem selbst wichtig sind. Das Gefühl von Eifersucht, Schmerz, Ärger zeigt genau all die Dinge in einem, an denen man wachsen und heilen kann.


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