Denkst du noch oder liebst du schon?

Die Antwort lautet fast immer: nein. Wir sind zu Einzelkämpfern geworden, und bei der weiteren Lebensplanung auf einen zweiten Menschen zu achten, ist uns zu viel. Bevor man einfach schaut, wo es hinführt oder hinführen könnte, gibt man es wieder auf. Aus Angst, von vorne anfangen zu müssen, wenn es doch nicht funktioniert. Mit der Liebe kommt der Schmerz, und diese langsam heilenden Wunden können wir uns längst schon nicht mehr leisten. Wir rationalisieren das Verliebt sein also weg.

Ich will dann manchmal wieder 16 sein, als verliebt sein noch das Größte war und fast das Einzige, nach dem man strebte. Damals war es irgendwie leichter. Man verliebte sich, man kam zusammen und dachte, es würde für immer halten. Man machte Pläne für die Zukunft, obwohl man nicht wusste, wer man ist und wohin man will, und versprach sich, die Wege gemeinsam zu gehen, auch wenn sie in unterschiedliche Richtungen führten.

Man trank gemeinsam zu viel und kotzte dann und es war irgendwie egal, denn es ging nur um den Moment. Darum zu fühlen und berauscht zu sein, vom Schnaps und der Verliebtheit. Es gab nichts wegzurationalisieren, weil einfach nichts davon wirklich schlimm war – weder der Kater, noch der Schmerz, wenn eine Liebe doch nicht hielt.

Jetzt, wo ich längst nicht mehr 16 bin, erscheint mir all das viel zu schwer. Natürlich war es damals auch nicht so leicht und dennoch – es wurde mit den Jahren immer schwerer. Statt mich einfach zu verlieben, gehe ich nun auf Nummer sicher; immerhin weiß ich, wer ich bin und was ich will. Oder glaube zumindest, genau das zu wissen.

Und wisst ihr was? Ich hab keinen Bock mehr auf die Sicherheit. All die Rationalität, die ich mir in all den Jahren antrainiert habe. Die Vorsicht, die die vielen Herzbrüche, die ich mir und anderen zugefügt habe, mit sich gebracht haben. Wenn ich heute sage, dass ich jemanden liebe, dann ist das ziemlich rational. Weil er eben einfach gut zu mir passt. Zu meinem Leben. Meinen Freunden. Meinem Job.

Ich will den Kopf ausschalten

Und ich meine das ernst, wenn ich sage, dass ich diesen Menschen liebe – denn ehrlich, Menschen, die so perfekt für einen sind, die kann man nicht nicht lieben. Doch diese Liebe entsteht in meinem Kopf und nicht dort, wo sie eigentlich entstehen sollte – nämlich im Herzen – und sie entsteht erst dann, wenn ich alles genau hinterfragt und für okay befunden hab. Ich kann lieben, ohne verliebt zu sein. Genau genommen kann ich sogar erst dann lieben, wenn das Verliebt sein endlich weg ist – und das ist so ziemlich das Traurigste, das ich mir jemals eingestehen musste.

Ich nehme mir selbst das »Zsa-Zsa-Zsu«, weil ich immer Angst habe, dass die Schmetterlinge im Bauch mich doch nur zum Kotzen bringen – dabei will ich genau das. Also, nicht kotzen selbstverständlich, aber es zumindest mal riskieren. Den Kopf ausschalten und den fünftem Tequila doch noch runterkippen. Den einen Kuss zu viel noch wagen, auch wenn’s vielleicht der Falsche ist.

Die Gefühle überschwappen lassen, statt sie zu unterdrücken, damit am Ende bloß nichts weh tut. Schmerz gehört doch einfach dazu – und ehrlich, was wir mit 16 überlebt haben, das schaffen wir auch heute. Ich will die drei Stadien meiner Gefühle, verknallt sein, verliebt sein und lieben, nicht mehr nacheinander abhaken, so wie ich das bisher getan habe. Sondern endlich wieder ineinanderfließen lassen.


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