Braucht Liebe Treue?

Heute ist Monogamie, also Exklusivität in der körperlichen und emotionalen Beziehung, ein Standard-Pakt zwischen Partnern. Sollten Paare gleich von Anfang an verhandeln, wie sie mit Wünschen umgehen wollen, die nur außerhalb ihrer Beziehung erfüllt werden könnten?

Das sollten sie. Vor allem kirchliche Beratungsstellen bieten so genannte Ehegespräche an, in denen sich Paare im Vorfeld darüber austauschen können, wie sie mit Glück und Unglück in ihrer Beziehung umgehen wollen und können. Man muss nicht strenggläubig sein, um von solchen Gesprächen enorm zu profitieren.

Ich finde es weise, sich damit zu befassen, was mit der Liebe geschieht, wenn Wünsche auftauchen, die in der Beziehung nicht erfüllt werden können. Das erscheint vielleicht auf den ersten Blick kaltherzig, ich würde diese Haltung aber verantwortungsvoll und liebevoll nennen. Problembewusstsein bringt Liebende nicht auseinander, es schweißt zusammen. Man kann sich quasi gemeinsam einen Gedanken-Koffer packen für die Zukunft, einen Notfallkoffer. Wer das will, der beweist doch wirklich, wie ernst es ihm damit ist, mit seinem Partner dauerhaft zusammen zu bleiben. Das ist für mich romantischer als die rosarote Brille.

Schön formuliert, aber ich möchte meine Frage noch einmal stellen: Benötigt Liebe die Treue?

Im Ernst, ich würde mich gern vor der Antwort drücken. Man macht sich mit der „falschen“ Antwort schnell Feinde, weil das Thema derart emotional aufgeladen ist.

Mein erster Impuls bei dieser Frage ist: Nein, Liebe benötigt nicht zwingend die Treue. Die Begründung: Es gibt so viele Menschen, die sich lieben und ein alternatives Treueverständnis haben, denen kann ich nicht absprechen, dass sie sich lieben. Im Gegenteil: Mir hat mal jemand gesagt, dass sich zu lieben bedeutet, dass man dem anderen alles gönnt, warum nicht auch Freude mit einem anderen Menschen? Mir ist nichts eingefallen, um diese provozierende Aussage zu entkräften, außer die gute alte Eifersucht. Die hat andere Ziele, die will alles für sich allein haben. Die Eifersucht ist ein Feld für sich. Ist Eifersucht nicht einfach „nur“ Verlustangst und Ausdruck davon, dass man den anderen besitzen will? Ist besitzen wollen liebevoll? Ist die Eifersucht ein gutes Gefühl, speist sie sich nicht aus einem niederen Motiv, nämlich Egoismus? Ist es nicht wahr, dass Liebe ein Kind der Freiheit ist? Ist das nicht ein großes Wort: „Lass los, was Du liebst, wenn es zurückkommt, bleibt es für immer“?

Nach diesen ganzen Gegenfragen komme ich wieder auf die Eingangsfrage zurück: Wie kann ich jemandem, den ich liebe, verbieten, sich zu verlieben? Ich kenne eine Frau, sie gehört für mich zu den ganz großen Liebenden, deren Mann hat sich unsterblich in eine andere Frau verliebt und die Scheidung eingereicht. Seine verlassene Frau hat keinen Funken Hass oder Wut empfunden, sie war natürlich sehr traurig, aber eben ohne Anklage. Von dieser Frau habe ich den Satz gehört: „Wie kann ich jemandem verbieten, sich zu verlieben?“ Das hat mich schwer beeindruckt, es hat mich viel mehr bewegt, als wenn sie sich wie eine rasende Furie gebärdet und den Mann beschimpft und verdammt hätte.


Weitere interessante Beiträge