Jemanden zu verlassen, bedeutet nicht notwendigerweise, jemanden nicht mehr zu lieben. Gleichwohl ist Trennung trotz Liebe nicht selten. Denn manchmal ist es besser, eine Zündschnur fallen zu lassen, die an beiden Enden brennt und gleichermaßen zu detonieren droht. Sprich: Eine Trennung kann manchmal durchaus heilsam sein, wenn die Grundparameter einer Liebe so außer Kontrolle geraten sind, dass es beiden Seiten nur Schaden zufügen kann, an ihr festzuhalten. Ist einer der beiden Partner bereit, den in diesem Falle verantwortungsvollen Schritt zur Trennung zu vollziehen, dann muss er sich darüber im Klaren sein, dass der Zurückgelassene eventuell auf der ersten Etappe der Trauer hängenbleibt. Diese ist bekannt als Verdrängung, dem Nicht-Wahrhaben-Wollen dessen, was einem gerade so schmerzhaft durch die Gedanken und das Herz rauscht. Erst dann folgt der Zorn, darauf die Verhandlung mit dem Schicksal, die tiefe Trauer und letztendlich die Akzeptanz.
Was kann man also tun, wenn man sich lösen will, der andere sich dem Lösen aber verweigert? Die Wiederholung klarer Argumente und ein gesundes Maß an Geduld kann durchaus hilfreich sein. Und die Erkenntnis, dass es ein nicht zu unterschätzendes Wechselspiel zwischen der Unfähigkeit zum Loslassen und einer Abhängigkeit zur bis eben noch geglaubten Liebe gibt. Bei manchen Menschen, die sich dem Loslassen verweigern, findet sich die Tendenz, aus der Liebe in eine Dependenz zu gleiten, die sich zu einer gelebten Sucht dem Anderen gegenüber entwickelt. Dann hilft nichts anderes als ein kalter Entzug, denn jedes Zwischenspiel mit dem, den man verlassen hat, ist ein neuer Schuss in dessen Vene.
Sich aus freien Stücken von einem einst oder noch geliebten Menschen aus wohlüberlegten Gründen zu verabschieden, ist eine der härtesten Aufgaben, denen man sich im Laufe des Wachsens und Erwachsens stellen muss. Einer Verweigerungshaltung des Anderen muss mit Konsequenz und Geduld begegnet werden. Dazu gehört auch, sein eigenes Verhalten zu hinterfragen. War ich klar genug? Unmissverständlich verständlich? Habe auch ich schon einmal gefühlt, was Abschied heißt?
Wenn es etwas gibt, bei dem man dem anderen unterstützen kann, den man nun allein im Regen, im Nebel und auch im Sonnenschein stehen lässt, dann ist es der Prozess des Loslassens.
Denn auch in einer Trennung gibt es noch ein ‚Wir‘. Ein ‚Wir‘, das einmal war und sich nun gegenseitig dabei helfen sollte, wieder voll und ganz ein ‚Ich‘ zu werden. Und der, der geht, sieht meistens klarer, als der, der gerade noch an der letzten Kreuzung einer Liebe steht.