Mir wurde erst viel später bewusst, dass ich mich in anderen langjährigen Beziehungen ziemlich egoistisch verhalten habe, indem ich mich nicht öffnen konnte. Es klingt zunächst paradox, aber man manipuliert den Partner genauso, wenn man bei Streitigkeiten schweigt, den Frust runterschluckt und ihm keine Chance gibt, Konflikte aufzuarbeiten und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Ich wollte nicht mit meinen Problemen konfrontiert werden, auch aus Angst, den geliebten Menschen verlieren zu können. Zu spät erkannte ich, dass diese Strategie zwangsweise zu einem Verlust führen würde, nachdem wir immer mehr nebeneinander und nicht miteinander lebten. Wir waren einsam zweisam und eines Tages erschien die Trennung als einziger Ausweg. Die bittere Erkenntnis nach diesem erneuten Scheitern war, dass ich dem Partner nie eine echte Chance gab, mich als Mensch wirklich kennenzulernen.
Lernen wir eigentlich irgendwann aus unseren Erfahrungen?
Ich würde gerne „JA“ schreien und mich besser fühlen – auch nach der neuesten Trennung. Wichtig ist, zu versuchen, Fehler nicht ständig zu wiederholen, also ein bestimmtes Verhaltensmuster irgendwann zu ändern, weil man sich wieder eine „blutige Nase“ geholt hat, weil man sich erneut in diesen besonderen Menschen verliebt hat, auch wenn er uns nicht gut tut. Jeder kann nur für sich erkennen, wann der Leidensdruck nicht mehr ertragbar ist. Deshalb ist es so wichtig, sich mit seinem eigenen Egoismus – und gegebenenfalls mit dem des Partners – auseinanderzusetzen. Ich will nicht mehr warten, bis mein Gegenüber sich immer mehr entfernt oder ich das Gefühl habe, bald zu ersticken. Achtsamkeit erscheint mir besonders ratsam, außerdem sollte man zuhören, aber auch artikulieren, was einen belastet, selbst wenn es zu einem Konflikt führt. Alles ist sinnvoller, als Unangenehmes unter den Teppich kehren zu wollen.
Ganz ehrlich: Mir gelingt es nicht oft, mich bewusst weniger egoistisch zu verhalten – trotz dieser Lebenserfahrung. Angst begleitet uns viel öfter, als wir es vermuten und wir treten auf diese unsichtbare Bremse, bleiben stehen, sagen nichts mehr oder wissen einfach nicht, ob wir noch gemeinsam oder lieber allein weiterreisen möchten. Zumindest versuche ich, bei jeder Begegnung öfters zuzuhören, Bedürfnisse und Wünsche zu akzeptieren. Ich bemühe mich, ein wenig meine eigene Bequemlichkeit zu verlassen und mich zu zeigen, wie ich bin und nicht, wie ich wahrgenommen werden möchte. Rückschläge und Enttäuschungen sind leider nicht zu vermeiden, aber sie gehören zum Leben. Sie helfen uns, uns zu einem besseren Menschen weiter zu entwickeln. Sich Ziele zu setzen. Bei jeder neuen Liebe, sich kritisch zu hinterfragen, ob wir bereit sind, den unbequemen Weg zu gehen, zusammen Hindernisse aus dem Weg zu schaffen, uns tolerant und großzügig zu zeigen. Das möchte ich zumindest ernsthaft versuchen.