Als wir mal allein unterwegs waren, fragte ich meinen besten Freund, wie es so mit ihr lief. “Wenn wir allein sind, ist sie ein Engel. Lieb und fürsorglich und lustig. Wir haben eine tolle Zeit zusammen! Aber wenn ich mich mit anderen Frauen treffen will, wird sie total biestig.” Ich merkte, wie nah ihm das Ganze ging. “Hast du sie mal drauf angesprochen?”, fragte ich vorsichtig.
“Mal? Wir haben uns regelmäßig deswegen in den Haaren. Sie hat viel mitgemacht mit ihrem Ex-Freund. Er hat sie mehrmals betrogen. Klar, dass sie da jetzt vorbelastet ist und Schwierigkeiten hat, wieder jemandem zu vertrauen. Ich sage ihr auch immer, wie toll ich sie finde und wie sehr ich sie liebe. Aber bei der nächsten Situation ist das wieder vergessen. Dabei ist es sonst echt schön!”
Ich klopfte ihm aufmunternd auf die Schultern und sagte, das würde sich mit der Zeit bestimmt legen. Wenn sie einmal sähe, dass da nichts passiert und es keinen Grund zur Sorge gibt, würde sie sich sicher wieder einkriegen. Was sollte ich auch groß anderes sagen? Deine Neue hat einen Dachschaden?!
Aus Miss Perfect wird der Drache
In den nächsten Wochen merkte ich, dass er immer öfter absagte und Ausreden fand, wenn wir uns treffen wollten. Selbst Dinge, die wir schon seit jeher zusammen machten, passten plötzlich nicht mehr rein. Erst habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Wenn man eine Beziehung hat, ist halt weniger Zeit. Schon klar! Aber das wurde immer schlimmer. Auch am Telefon würgte er mich ab oder reagierte nicht mehr auf meine Nachrichten.
Irgendwann ging ich einfach bei ihm vorbei und klingelte. Und wer öffnete? Na klar, Miss Perfect. Ich fragte nach meinem besten Freund, aber sie wollte partout nicht aufmachen. Ich versuchte, mich an ihr durchzudrängeln, aber sie hatte die Türkette eingehängt. Ich rief ein paar Mal laut seinen Namen, aber es kam keine Reaktion. Sie schlug die Tür zu und ich setzte mich kurz auf die Treppenstufen. Ich konnte nicht fassen, was ich da gerade erlebt hatte. Was bildete sich dieser Drache eigentlich ein? Ich überlegte kurz, ihr Auto zu zerkratzen, aber so tief würde ich nicht sinken.
Das konnte doch nicht sein Ernst sein?
Ich ging nach Hause und versuchte, ihn telefonisch zu erreichen. Keine Chance. Ich sprach ihm auf die Mailbox, sagte, dass ich mir ernsthaft Sorgen mache, und fragte, ob ich starke Freunde schicken solle, die ihn retten kommen. Ich war immer noch im festen Glauben, dass sie ihm irgendein Gift eingeflößt hatte und das nicht aus seinem freien Willen heraus geschehen konnte. Wir haben so viel durchgemacht, sind zusammen groß geworden, haben uns gegenseitig durch das Studium geboxt. Das konnte unmöglich wegen einer einzelnen Person zu Ende sein.