Fragt sich Jule Blogt. Sie antwortet damit auf Thorsten Wittkes Beitrag: Wieso kommen Frauen eigentlich nicht mit Kritik klar?
Was Kritik betrifft, sind Männer Allwetterjacken im Regen. So sehr ich meine männlichen Freunde liebe, so intensiv sind manchmal die Momente, in denen ich ihr Verhalten verfluche. Es sind die Momente, in denen ich tief Luft hole, die Augen verdrehe, und nur ein genervtes Stöhnen von mir gebe. Es sind die Momente, in denen ein Mann nicht so handelt, wie er es in meinen Augen hätte tun sollen. Auf Anhieb fallen mir Hunderte Situationen ein, in denen ich so reagiere. Eigentlich müssten meine Augen irgendwann in der verqueren Position stehen bleiben, so oft wie ich sie verdrehe. Doch nur Augen verdrehen hilft in solchen Situationen nicht. Es muss danach etwas folgen, das mir persönlich nicht leicht von der Hand geht: Kritik! Das Verhalten, welches in meinen Augen nicht passend ist, muss angemerkt werden. Es muss nicht nur angemerkt werden, es muss ernsthaft kritisiert werden. Ohne Kritik weiß der Gegenüber schließlich nicht, dass er überhaupt etwas falsch gemacht hat. In diesem Sinne ist Kritik eigentlich eine tolle und sehr wichtige Sache! Wie oft erlebe ich Beziehungsstreits, nur weil der weibliche Part mal wieder der Meinung war, „er müsste doch merken, was er da gerade falsch macht“. Jedes Mal versuche ich dann, ein gewisses Verständnis für den Partner zu vermitteln, da dieser ja gar nicht weiß, dass er etwas getan hat, das in ihren Augen einen Fehler darstellt.
Wer mich kritisiert, hat nichts zu lachen
Betrachtet man Kritik aus diesem Blickwinkel, kann einem doch nichts besseres passieren, als kritisiert zu werden, oder? Mitnichten! Da muss ich mir an die eigene Nase fassen. Wer mich kritisiert, hat nichts zu lachen. Da genügt manchmal eine Kleinigkeit, auf die ich hingewiesen werde. Trifft diese Kleinigkeit genau einen Punkt, der besonders weh tut, eskalieren mir gerne mal die Gesichtszüge. Sprechen Sie mich zum Beispiel nie auf mein Gewicht an! Sollten Sie nicht der Meinung sein, ich hätte plötzlich über Nacht 5 kg abgenommen, halten Sie lieber die Klappe. Ansonsten könnte es sein, dass ich durch einen gekonnten Schlag auf Ihren Oberarm einen bleibenden blauen Fleck hinterlasse. Ich fühle mich durch Kritik wenig wertgeschätzt, ganz so, als hätte man mich nicht mehr lieb. Das verunsichert mich und kann dazu führen, dass ich mich von meinen Kritikern zurückziehe. Sie merken schon, selbst kritisieren empfinden wir Frauen als tolle Sache, als hilfreich für unser Gegenüber. Doch als Kritisierter würden wir unserem Kritiker manchmal am liebsten den Hals umdrehen.
Männer kritisieren fällt mir schwer
Da ich das weiß, fällt es mir besonders schwer, Männer zu kritisieren. Die Reaktion von Frauen kann ich meist relativ gut vorhersagen, schließlich bin ich selbst eine. Aber Kritik an Männern zu üben, gehört nicht zu meinen Glanzleistungen. Ich erinnere mich noch gut daran, als ich mit einigen Freunden vor meiner Stammbar stand. Wir plauderten heiter, die Sonne schien und nichts könnte diese positive Stimmung zerstören, dachte ich zumindest. Doch dann kamen ein paar Worte aus dem Mund eines Freundes, die ich am liebsten wieder dorthin zurückgeschoben hätte. „Nur weil du jetzt was mit Martin hast …“ Ich schien so schockiert geguckt zu haben, dass er seinen Satz nach diesen Worten unterbrach. Auch der Rest meines Freundeskreises schaute mich verdutzt an. Dass mein vorlauter Freund der Einzige war, dem ich von diesem Mann erzählte, sollte sich soeben zu einem Problem entwickeln. Es sollte niemand wissen außer ihm. Ich hätte jetzt eigentlich in Schimpftiraden ausbrechen müssen, beleidigt die Arme verschränken sollen, um ihm dann ins Gesicht zu sagen, dass er doch bitte meine Geheimnisse nicht ausplaudern sollte – berechtigt Kritik üben also. Stattdessen boxte ich ihm gegen den Oberarm, und versuchte vom Thema abzulenken. Aber warum? Warum äußerte ich nicht klar und deutlich, dass mich dieser Vertrauensbruch verletzte? Es waren die Erfahrungen, die ich bis dahin machte, sobald ich Männer kritisierte!
Bis jetzt hatte ich immer das Gefühl, dass Kritik an den Männern abperlte wie Regen an einer Allwetterjacke. Sie hörten die Kritik zwar und nickten, aber Aufnehmen war nicht drin. Gelegentlich gingen sie sogar dazu über, die „Zickenkarte“ auszuspielen. „Was ist denn mit dir? Zicke oder was?“, erreicht regelmäßig sein Ziel und drängt mich direkt in die Defensive. Was fällt mir schließlich ein, einen Mann zu kritisieren? Die sind doch perfekt und unverbesserlich. Naja, das glauben einige von ihnen zumindest. Ich denke allerdings, und hoffe es gleichermaßen, dass sie sich meine Kritik sehr wohl zu Herzen nehmen. Sie zeigen es nur nicht. Kritik annehmen heißt ja indirekt auch, einen eigenen Fehler einzugestehen. Eigene Fehler anzuerkennen ist eine Fähigkeit, die nicht jeder besitzt. Übrigens fällt das auch vielen Frauen schwer. Frauen reagieren allerdings viel offensiver auf Kritik. Sie zeigen eine direkte Reaktion, die meistens nicht sonderlich positiv ausfällt. Männer hingegen lassen sich nicht anmerken, was Kritik mit ihnen macht. Zum einen Ohr rein, zum anderen Raus. Meinetwegen muss man mir nicht Recht geben, wenn ich Kritik äußere. Mir würde reichen: „Ich habe gehört, was du gesagt hast. Ich habe es verstanden und werde mir darüber Gedanken machen.“ Das Gefühl zu haben, dass meine Kritik angekommen ist, würde mich zufriedenstellen. Eines darf man nämlich nicht vergessen: Kritik ist trotz möglicher Verletzungen eine Chance, sich weiterzuentwickeln und eigene Fehler zu bemerken. Klar wird sie verteufelt, sie ist schließlich nicht angenehm. Aber jeder sollte sich ihr annehmen, selbst wenn man sie nach kurzem Nachdenken über Bord wirft und weiterhin der Meinung ist, Superman zu sein!