In den frühen Morgenstunden, wenn ich vielleicht drei Stunden gnädigen Schlafs gefunden hatte, weckte mich der Kummer. Ich lag bleischwer in meinem Bett, manchmal auch auf dem Sofa. Neben mir meine neue Freundin Rioja und alte T-Shirts von meinem Mann, in die ich Rotz und Tränen heulte. Ich war derart kummervoll und untröstlich, dass meine Freundinnen abwechselnd Wache bei mir hielten wie barmherzige Nachtschwestern. Mein Zuhause wurde zur Krankenstation für mein gebrochenes Herz. Und nun musste dringende etwas Lebenskluges her, ein Therapieplan für meine Genesung.
Ich quatschte meine Nachtschwestern voll mit den sich immer wiederholenden Fragen und Klagen. Heute weiß ich, dass es weise war, dass sie sich abwechselten. Eine Freundin oder ein Freund mit Liebeskummer geht auch dem näheren Umfeld an die Substanz. Aber das stundenlange Reden ist wichtig, also raus mit den Fragen, den Vorwürfen, der Klage! Selbst wenn es kaum Antworten gibt, die den Schmerz nehmen können. Vielleicht lindern sie ihn – gut so! Ein Schritt heraus aus der unverdünnten Hölle ist somit getan. Denn die universellen Jammer-Fragen sind der richtige Pfad zu den eigentlich essentiellen Fragen: Wie konnte es dazu kommen? Was ist mein Anteil an der Situation? Was kann ich für meine Zukunft daraus lernen? Wobei Letztere bereits signalisiert, dass das tiefe Jammertal bald durchschritten ist.
Eine hilfreiche Routine, neben Kaffee und zu vielen Textnachrichten, ist Bewegung. Bewegung ist bei Kummer enorm hilfreich. Das ist wissenschaftlich erwiesen. Ich lieh mir also täglich den gutmütigen Labrador eines benachbarten Freundes für Spaziergänge aus. Das Tier freute sich darüber, der Freund freute sich und ich bekam bei der Abholung eine tröstende männliche Umarmung. Ich lief und lief und manchmal liefen mir die Tränen, ich ließ es geschehen. Manchmal schauten mich entgegenkommende Spaziergänger mitfühlend an. Frau mit gebrochenem Herzen schien mir auf der Stirn zu stehen.