Manchmal wird auf Schweigen mit genervtem Augenrollen, Vorwürfen, Attacken, mit Schluchzen, Seufzen, Tränen, knallenden Türen und Schreianfällen reagiert. Die eigene Wortlosigkeit kann zu einer Quelle der Wut werden, die Tote wieder lebendig machen könnte.
Doch das gleiche Schweigen kann auch attraktiv sein. Der Krieger, der seine Kräfte in der Ruhe sammelt, bevor er in die Schlacht zieht. Der Samurai, der aus Loyalität Geheimnisse für sich behält. Manchmal bietet Schweigen dem anderen eine Bühne für seine Sorgen und Probleme – das sind dann Menschen voller Verständnis, die gelassen nicken, jemanden in den Arm nehmen und in all seinen Facetten akzeptieren. Schweigen kann sexy sein, kann an Stärke und Standfestigkeit, an Loyalität und Rücksichtnahme, an Besonnenheit und Rationalität, an Akzeptanz und Wohlwollen erinnern.
Jetzt frägt sich der ruhige, besonnene Partner sicherlich, wann ihm seine Wortlosigkeit zu seinen Gunsten ausgelegt wird und wann sie den anderen fast wahnsinnig macht? Er möchte es ja verstehen und richtig machen.
Und da sind wir auch schon bei einem Grund, warum manche Menschen im Streit oder bei Konflikten schweigen. Sie wollen nicht das Problem ignorieren – Sie wollen nur alles richtig machen.
Warum schweigen manche Menschen in einer Konfliktsituation?
Wenn wir jemanden lieben, wollen wir die Person glücklich machen. Bei Problemen scheint aber die Person, die man so gerne glücklich sieht, alles andere als zufrieden. Dann überkommt die Schweigenden die Angst, noch mehr falsch zu machen. Oder die Resignation, eh schon versagt zu haben. Bevor jemand, der gerne rational und besonnen ist, noch ein falsches Wort sagt, sagt er lieber nichts. Schweigen ist seine Schutzstrategie, ein Mechanismus, um Probleme zu vermeiden. Das Paradoxe: Manchmal verursachen Schutzmechanismen nur noch mehr Probleme.
Liebe Schweigende, wenn die Situation sich dadurch löst, nichts zu sagen, ist das erfreulich. Aber wenn diese Strategie nicht erfolgreich ist, wäre es dann nicht an der Zeit, seine Strategie zu reflektieren und zu ändern?
Schweigen bietet viel Raum für Interpretation. Was das Gegenüber in der fehlenden Reaktion liest, ist oft: „Ich bin dir nicht wichtig. Du interessiert dich nicht für mich und meine Bedürfnisse.“ Und aus dieser Angst unwichtig zu sein, wird dann laute Wut. Das tut niemand aus bösem Willen – aber die Selbstzweifel, die die einen in die Wortlosigkeit treiben, treiben die anderen in Vorwürfe und Kritik. Umso mehr Stille – und Kälte – da ist, umso lauter und hitziger wird dann die andere Person.