Plötzlich liegen Welten zwischen uns
„Genau das bringt mich aus der Fassung“ sagt Matthias, dass diese vernünftige und coole Frau, die ich sehr liebe und sehr achte, die meine Traumfrau ist, mir eine derart blöde Frage stellt. Typische Frauenfrage. Ob ich sie nicht mehr begehre, darum geht es doch gar nicht. Wir hatten in unserer Ehe stets einen Common Sense, jetzt liegen Welten zwischen uns. Warum sollte ich denn Frauke nicht mehr begehren? Sie ist gerade 41 Jahre alt, sie ist echt in ihrer Blüte. Sie haut mich vom Hocker. Ich könnte ihr in der Wohnung hinterherlaufen und ihr die Kleider vom Leibe reißen. Hier geht es in keiner Weise um eine Entscheidung gegen meine Liebste. Ich möchte unseren Horizont erweitern. Ja, tatsächlich, diese Idee ist mir über Nacht gekommen. Frauke will das ständig wissen, wie ich bloß auf den Gedanken gekommen bin. Ja, ich gebe weiterhin zu, ein Freund hat mich auf die Idee gebracht, er hat mir erzählt, dass seine Frau und er manchmal etwas ausprobieren. Sie haben sich schon einmal eine dritte Person ins Bett geholt, das lief über ein Internetportal. Es war ein Mann, mein Freund wollte gern mal zusehen, wie seine Frau es mit einem anderen Mann macht. Es ist keinesfalls so, dass mein Freund und seine Frau eine sexuelle Variante, die sie gemeinsam ausprobieren, fest in ihren sexuellen Alltag übernehmen. Es kommt vor, dass sie eine Sache ein einziges Mal ausprobieren, dann hat einer oder eine oder es haben beide keine Lust mehr darauf, dann kehren sie zur Tagesordnung zurück. Das ist exakt das, was ich mir von Frauke wünsche: Einmal den Kopf aus dem eigenen Bau heben, sich umschauen, was es noch gibt. Mehr will ich doch gar nicht, das soll doch nicht von nun an unser Leben für die nächsten 40 Jahre bestimmen. Diese Option, gemeinsam in einen wirklich anspruchsvollen Swinger-Club zu gehen, meinetwegen nur gucken, das reizt mich total.“ Frauke bringt schon die Formulierung „nur gucken“ aus der Fassung. Für sie ist auch der einmalige verspielte Besuch eines Swinger-Clubs der Anfang vom Ende.
Ist es die Midlife-Crisis, die Matthias treibt?
„Vielleicht bin ich verwöhnt“ sagt Frauke nachdenklich. „Ich musste nie mit Matthias um etwas ringen, etwas ausfechten, mich durchsetzen. Oder akzeptieren, dass Matthias sich durchsetzt. Oder einen Kompromiss finden. Wir waren in den grundlegenden Dingen stets einer Meinung. Ich denke, es ist meine Aufgabe, meinem Mann zuzuhören, zu versuchen, zu begreifen was ihn bewegt. Ich will das auch! Ich schenke ihm auch immer wieder mein Ohr, frage nach, doch wir kommen auf keinen grünen Zweig. Matthias meinte, wir könnten unser Anliegen bei einem Paartherapeuten vorbringen, das finde ich absurd. Ich würde mich in Grund und Boden schämen wegen so eine Lappalie in eine Praxis zu gehen. Was soll der Therapeut zu unserem Fall sagen? Für mich steht absolut fest, dass ich einen Swingerclub nicht betreten werde. Daran ist nicht zu rütteln. Und ein Therapeut könnte mir die Gedanken von Matthias nicht transparenter erscheinen lassen. Mein Mann ist auf einem Weg, auf dem ich ihm nicht folgen kann und will. Das geht auch nicht mit all meiner Liebe. Neulich hat eine Freundin von mir gesagt, vielleicht ist Matthias in einer frühen Midlife-Crisis. Das könnte ich mir am ehesten vorstellen. Aber dann muss Matthias in Therapie gehen, nicht wir zusammen. Er muss sich mit diesen Wünschen, die plötzlich wie Kai aus der Kiste auftauchen, allein auseinandersetzen.
Fraukes Kompromiss-Angebot Matthias soll allein in einen Club gehen
Oft kommt Matthias mir damit, dass eine harmonische Beziehung auch Wandel zulassen muss, um lebendig zu sein. Was den Swingerclub angeht, ist das wirklich dummes Gerede. Wenn ich mich total verbiegen muss, dann macht das meine Lebendigkeit kaputt, dann bin ich eine Marionette, dann verneine ich alles, was meine Persönlichkeit ist. Ich hätte nichts gegen einen Kompromiss, der ist lebendig, aber wie sollte er in diesem Fall aussehen? Von mir aus kann Matthias gern einmal allein in einen Swinger-Club gehen und dann kann er sich alles angucken. Ohne mich. Und ohne Anfassen. Ich höre mir auch gern an wie es war, was er erlebt hat. Ich bin keine Spießerin, ich sage nicht „Bäh“, weil mich nackte Menschen, die sich miteinander vergnügen ekeln oder weil ich das moralisch verurteile. Es ist einfach nichts für mich. Ich muss nicht alles ausprobieren, um zu wissen, dass es nichts für mich ist.“