Was geschieht, wenn man sich Liebe verdienen will

Routine als tödliche Bedrohung

Du wolltest mich an dich binden, koste es, was es wolle. Wir entschieden uns dafür, in einer fremden Stadt zusammen zu ziehen, weil wir uns eine gemeinsame Zukunft aufbauen wollten. Es schweißte uns zusammen und wir freuten uns auf diese neue Zweisamkeit. Ich war es gewohnt, meinen Koffer zu packen und wieder umzuziehen. Schon immer fühlte ich mich als Reisender, ohne Wurzeln und ohne Heimat. Überall und nirgends zuhause. Und irgendwann war sie da, die Routine, die ich immer gefürchtet habe. Die tödliche Bedrohung. Manchmal fühlte ich mich gefangen in einem goldenen Käfig. Ich empfand öfters das bittere Gefühl, zu zweit einsam zu sein und du wusstest nicht mehr, wie du mich erreichen konntest. Die Intensität beim Sex ging immer mehr verloren, auch wenn du dir so viel Mühe gabst, mich im Bett glücklich zu machen. Je mehr ich mich entfernte, desto mehr hast du verzweifelt versucht, mich festzuhalten.

Wir hatten die Balance verloren und konnten nichts dagegen unternehmen. Wir hatten auch nicht den Mut, den Finger in die Wunde zu legen und offen über unsere Probleme zu reden. Ein fataler Fehler. Du hast deine Angst, mich zu verlieren, immer mehr verdrängt. Sogar die erlebnisreichen Urlaube halfen nicht, wieder zueinander zu finden. Wenn es Stress in einer Beziehung gibt, wird dieser während einer Reise noch sichtbarer. Traumhafter Strand, leckeres Essen, coole Cocktails, aber auch öfters Schweigen und Ratlosigkeit auf beiden Seiten. Fern von unserem Alltag kurz mal die Zeit anhalten oder sich mit dieser Illusion betäuben. Die Augen schließen, nur noch den warmen Wind spüren, versuchen, einzuschlafen – aber es gelingt nicht. In meinem Kopf tickt diese erbarmungslose Uhr, ich weiß nicht, von wem sie implantiert wurde, aber ich kann sie nicht entfernen.

Uns gegenseitig wachrütteln

Du wurdest trauriger und ich fühlte mich schuldig. Vielleicht hätten wir uns gegenseitig wachrütteln sollen und gemeinsam nach einem Ausweg suchen. Uns festhalten statt immer mehr loszulassen. Im Kopf packte ich wieder meinen Koffer und befand mich wieder an Bord eines Fliegers, diesmal allein. Du hast immer mehr gegeben und ich habe nur genommen. Es hat leider den Entfremdungsprozess nur noch beschleunigt. Eine Liebesbeziehung kann nicht überleben, wenn man plötzlich Mitleid für seinen Partner empfindet. In meiner Wahrnehmung hast du mich immer mehr eingeengt, aber ich wollte dich nicht noch mehr verletzen und sah keinen Ausweg aus diesem Dilemma. Im Nachhinein denke ich, dass wir es mit professioneller Hilfe hätten versuchen können. Der Sprachlosigkeit einen Raum geben und sich nicht davor fürchten, schmerzhafte Themen zu offenbaren. Heute weiß ich, dass es sich immer lohnt, einen gemeinsamen Weg zu suchen, wenn ich tief in meinem Herzen spüre, dass ich ohne den Anderen nicht sein möchte. Damals konnten wir nicht vermeiden, dass sich unsere Wege wieder trennten …


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