Was schon bei oberflächlicher Betrachtung auffällt, verdichtet sich beim genauen Hinschauen (oder -hören) um so mehr: Sprachnachrichten sind für Beziehungen potentiell das, was Video für den Radio-Star war: ein Killer. Hier kommen sechs Gründe gegen das Liebesgesäusel per Messenger:
1. Sprachnachrichten signalisieren: „Keine Zeit!“
Wenn ich eine Nachricht schreibe, nehme ich mir Zeit. Wenn auch nur kurz, um etwa zu tippen: „Freue mich auf heute Abend mit Dir!“ Alles viel zu umständlich, finden die Sprachnachrichten-Fans. Sie drücken lieber auf „record“ und quatschen drauf los. Weil: total bequem, total viel Zeit gespart. Wie viel jetzt eigentlich genau? Die zehn Sekunden, die es gedauert hätte, den Text zu schreiben?
Die Zeit des Empfängers verschwenden die digitalen Audiophilen hingegen großzügig: Als Empfänger einer Sprachnachricht kann ich ja nicht auf den ersten Blick erkennen, worum es geht. Will mir jemand etwas Wichtiges mitteilen oder ist es nur nette Plänkelei? Alles, was ich sehe, ist ein schnödes „Play“-Symbol. Ich muss mir die Zeit nehmen, die Message zu sichern und anzuhören. Total bequem und zeitsparend. Nicht.
2. Sprachnachrichten sind schlecht zu verstehen
Wer Sprachnachrichten versendet, tut dies meist nicht aus einem Tonstudio mit schalldämpfenden Eierkartons an der Wand oder von draußen mit hübschem Puschelmikro. Also höre ich jede Windböe, jedes Hundebellen jedes Schnaufen, jedes Schmatzen, jedes Stimmgewirr von der Straße, jedes Gähnen – alles, was von der eigentlichen Nachricht ablenkt. Und selbst die kann ich oftmals nicht richtig verstehen, weil der Absender beim Aufnehmen scheinbar erst durch eine Tropfsteinhöhle gewandert ist und dann auf einem Rummelplatz vor dem Autoscooter zum Stehen kommt.
Ebenso nervig: das Anhören der Sprachnachrichten. Nie passt es. Nicht im Büro, wo alle Kollegen mithören, ebenso wenig draußen vor der Tür, wo der Verkehr lautstark vorbei braust. Also krame ich den Kopfhörer aus der Tasche, stöpsele ihn ein, nur um dann so weltbewegende Worte zu vernehmen wie: „Hey, bin noch im Büro. Wird vermutlich spät … Oh, die Chefin kommt, ich muss aufhören. Melde mich später nochmal. Ciao!“
3. Sprachnachrichten sind eher etwas für Teenies
Mehr als 90 Prozent der 12 bis 13-Jährigen in Deutschland sagen, dass WhatsApp für sie die wichtigste App überhaupt ist. Sie schwören! Wer älter ist, hat hingegen die beruhigende Erfahrung gemacht, dass man auch ohne Smartphone unfallfrei durchs Leben kommt. Vollends vergreiste Menschen erinnern sich sogar noch an die uralte Technik des Telefonierens – komplett unverständlich für die Jüngeren. Anrufen ist bei ihnen so beliebt wie Kalbssülze an Dosengemüse und Rahmsoße. Daher: Nur weil es möglich ist, muss man noch nicht alles mitmachen. Den Kids ist es ohnehin oft peinlich, wenn man so tut, als würde man wissen, was gerade geht.