Greta macht nach dieser Kapitulation kein Auge zu, sie wälzt sich schlaflos im Bett, die ruhigen und regelmäßigen Atemzüge von Hugo machen sie aggressiv. Wie ein Baby, denkt sie wütend, der schläft wie ein Baby. Sie betrachtet ihn, wieder spürt sie diese beschützende Liebe für ihn, dieses innerliche Abgleiten in eine weiche und nachgiebige Haltung. Es geht ein Ruck durch sie. Ich will das nicht mehr, denkt sie.
Greta macht sich auf den Weg zu sich selbst
Am nächsten Tag ruft sie bei einer Therapeutin an und vereinbart einen ersten Termin.
„Ich glaube, dass wir beide unseren Anteil an dieser unheilvollen Entwicklung tragen, Hugo wie ich“, sagt Greta. „Aber ich bin sicher, dass es noch wesentlich mehr mit mir zu tun hat, dass ich das alles abstellen könnte, wenn ich wieder innerlich frei bin. Wenn ich aufhöre, mich als Opfer zu fühlen und zu handeln, wenn ich keine Schuldgefühle mehr habe, weil mein Leben besser ist als das des Mannes, den ich liebe, dann hört Hugo auch auf, mich wie eine Dienerin zu behandeln. Vielleicht ist bei mir doch vieles äußerlich, was meine Emanzipation angeht.
Tief in mir schlummerte offenbar ein kleines Weibchen, das durch die Krise von Hugo die Regie über mein Denken und vor allem über mein Handeln übernommen hat. Ich bin ja wie fremdgesteuert. Ich will mich zurück. Oder ich will mit Hilfe der Therapie auch in der Ehe die Frau werden, die ich sein kann, die ich auch im Beruf täglich bin: Eine souveräne Frau. Liebevoll, aber komplett unabhängig und selbstbestimmt. Das Gegenteil von einem Opfer.“
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