Umgekehrt würde es sicher nicht so laufen. Was bei uns in der Beziehung abgeht, das hat entschieden etwas damit zu tun, dass ich eine Frau bin und Hugo ein Mann. Das sind Muster, die da hochkommen, die sind ewig alt. Ich kenne das aus der Ehe meiner Eltern. Meine Mutter hatte nie eine eigene Meinung, einen eigenen Willen, erst recht keinen Beruf, sie hat sich immer untergeordnet. So wollte ich nie werden. Vielleicht wollte ich auch deshalb keine Kinder. Hugo würde mir in jeder Lebenskrise beistehen, aber er würde sich mir nicht unterordnen. Dazu ist er zu stolz. Ich war es auch immer. Ich frage mich, wo meine Selbstliebe geblieben ist. Sie ist aufgesogen von der Liebe zu Hugo.“
Was für Greta Unterordnung ist, ist für Hugo Liebe
Wenn Greta Hugo gegenüber anspricht, ob ihm nicht auffällt, dass sich die Verhältnisse zwischen den beiden dramatisch verschoben haben, dass es ein Gefälle gibt, das sich täglich verschärft, ist er ehrlich überrascht. Er sieht das, was seit geraumer Zeit in der Beziehung geschieht, in einem völlig anderen Licht. Was Greta „Unterordnung“ nennt, bezeichnet er als „Rücksichtnahme“, mehr noch: als Ausdruck von Liebe. Schließlich hat er etwas Schreckliches erlebt und darf erwarten, dass seine Partnerin ihn unterstützt, begleitet und tröstet. Greta hat ihm beteuert, wie sehr ihr das weh tut, was ihm widerfahren ist, dass er jedoch wieder selbst die Verantwortung für sein Leben übernehmen muss. Das werde er auch tun, sagte Hugo. Er brauche allerdings noch Zeit. Er sei in einer existenziellen Krise und könne einfach nicht funktionieren wie sonst. Greta müsse eben eine Strecke des gemeinsamen Weges seine Aufgaben mitübernehmen. Du Egoist, das wollte Greta hinausschreien, sie hat es nicht getan.
Auch in den Diskussionen bleibt Greta das Opfer
„Diese eine einzige Auseinandersetzung haben wir über das Thema gehabt“, sagt Greta. „Und ich habe auch da klein beigegeben. Ich habe mich einfach nicht getraut, bei meiner Position zu bleiben. In mir hat es gebrodelt und gekocht, doch ich habe geschwiegen. Dann bin ich in die Küche und habe uns einen Tee gemacht. Wie eine Mutter für ihren Sohn, der krank ist. Ja, das schoss mir durch den Kopf: Wie eine Mutter, eine Mutter, die ihr eigenes Wohl hintenanstellt. Ich lebe hier vielleicht irgendwie meine Muttergefühle aus und benehme mich wie meine Mutter. Ich komme zu kurz. An diesem Abend haben wir später über unseren Urlaub gesprochen. Wir wollten in die Berge, wir wandern gern. Hugo sagte, er wolle in diesem Jahr lieber ans Meer, irgendwo ein Haus mieten, am Pool liegen, lesen. Diese Art von Urlaub langweilt mich, trotzdem habe ich zu Hugo gesagt, Schatz, wenn Du meinst, dann machen wir das so. Wie ein Opferlamm, wie ein Sündenbock, der ausbadet, was der Partner für Lasten trägt.“
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