Beziehungen als wechselseitige Bedürfnisbefriedigung?
Narzisstische Personen sind aus ihrem eigenen inneren Mangel heraus gierig. In ihrer Selbstbezogenheit und oft auch Selbstgerechtigkeit meinen sie, ein Recht darauf zu haben, von ihrem Partner alle eigenen Bedürfnisse und Wünsche erfüllt zu bekommen (wie dies ein kleines Kind, aus freilich nachvollziehbareren Gründen, von den Eltern erwartet). Im noch verhältnismäßig besten Fall sind Partnerschaften dann so etwas wie eine „institutionalisierte wechselseitige Bedürfnisbefriedigung“ (z.B. in Form von Zuwendung, Annahme, Sicherheit, Ressourcen wie etwa Geld, Erfüllung eines Kinderwunsches, Erlangung von sozialem Status usw.). Im schlechtesten Fall kommt es zu dysfunktionalen, „asymmetrischen“ Beziehungen, in denen ein Partner den anderen wie ein Energieräuber aussaugt (dann meist als „der Narzisst“ gelabelt), während der andere dies mit sich machen lässt (was zweifellos auch wieder seine Gründe hat, zumindest, wenn eine solche Beziehung über lange Zeit geht; vgl. z.B. das Phänomen der Co-Abhängigkeit).
Fazit: Liebe im narzisstischen Zeitalter
Bis hierhin klingt das alles ja nicht gerade rosig und optimistisch. Ich glaube aber, trotz allem, fest daran, dass es einen Ausweg aus der Sackgasse eines überzogenen Narzissmus gibt und eine Stärkung der Liebe möglich ist. Der erste Schritt hierbei dürfte, wie so oft, die Selbstbesinnung und -reflexion sein.
Inwiefern und inwieweit treffen derartige Beschreibungen auf mich selbst zu? Wie verhalte ich mich tagtäglich? Welche Formen des Narzissmus tun mir nicht gut? Wie kann ich mich vor Narzissten schützen und gleichzeitig verhindern, dass ich andere Menschen mit meinem eigenen narzisstischen Netz fange und erdrücke? Was fehlt mir, was mangelt mir? Und sind die Strategien, die ich anwende, wirklich dazu geeignet, um z.B. alte emotionale Wunden und Verletzungen zu heilen? Was brauche ich wirklich und was meine ich bloß, zu brauchen? Was ist wirklich wichtig im Leben und was nur leerer Schein? Das sind nur einige mögliche Fragen, die dabei hilfreich sein können, vor allem das eigene Verhalten zu analysieren, um in einem weiteren Schritt vielleicht etwas zu verändern, ohne dabei in die Selbstoptimierungsfalle zu tappen.
Denn es gibt eine Alternative, die zwar nicht über Nacht wirken wird, aber, wenn man sich um sie bemüht, langfristig: Selbstakzeptanz. Die Annahme des Selbst mit allen Macken, Schwächen, Sonnenseiten und „Normalitäten“. Gelingt dies, wird aus pathologischer Selbstliebe langsam eine gesunde Selbstliebe. Eine Selbstliebe, die es einem ermöglicht, selbstlos zu lieben und Beziehungen zu führen, die nicht durch wechselseitige Bedürfnisbefriedigung oder ein einseitiges Brauchen-des-Anderen geprägt sind, sondern vor allem durch die Liebe.
Quellen & Literatur
Maaz, H.-J. (2012). Die narzisstische Gesellschaft. Ein Psychogramm, C. H. Beck.
Ovid (o. J.). Metamorphosen, z.B. Insel Verlag.
Roberts, B. W., Edmonds, G., & Grijalva, E. (2010). It is developmental me, not generation me: Developmental changes are more important than generational changes in narcissism—Commentary on Trzesniewski & Donnellan (2010). Perspectives on Psychological Science, 5(1), 97-102.
Merkmale von narzisstischen Partnern werden in diesem Artikel aufgelistet und erläutert: Ist mein Partner ein Narzisst?