Streitende Pärchen in geselliger Runde zurechtweisen wie kleine Kinder? Keine gut Idee, findet unsere Gastautorin Kirsten Schwieger
Wir sitzen zu sechst am großen Esstisch von Tina und Martin und schieben schon ganz schön Hunger. Sie wirbelt in der offenen Küche herum und zischt plötzlich ihren Freund, der gerade mit ein paar Anekdoten die Runde bei Laune zu halten versucht, wütend an: „Du kannst mir ruhig mal helfen hier! Immer muss ich alles alleine machen …“. Wir schauen uns betreten an – und entscheiden offenbar allesamt, diese Beschwerde dezent zu übergehen. Auch als Martin beim Entkorken der gereichten Weinflasche gekränkt aber kampflustig erwidert, dass er schließlich mit seinen Entertainer-Qualitäten nur ihre offensichtlich zweifelhaften Kochkünste kompensiert, sagt niemand von uns Gästen ein Wort.
Abgesehen davon, dass niemand in der Runde die ursprünglich gute Stimmung weiter verschlechtern wollte, haben alle (Un)Beteiligten wohl auch gespürt: Sich jetzt in diesen Streit einzumischen, würde nicht helfen, sondern die Situation nur noch verschlimmern. Das müssen die Beiden unter sich ausmachen. Zumal dieses Thema offenbar ja nicht zum ersten Mal bei ihnen auf den Tisch kam.
Und das ist auch das eigentlich „heiße Eisen“: Viele Streitigkeiten haben bereits eine Vorgeschichte, die (in den meisten Fällen) auch nur das Paar selber kennt. Oft sind es sogar immer wiederkehrende Streitmuster, die ein Paar zu seiner ganz persönlichen Streitkultur erkoren hat. Dort konstruktiv dazwischen grätschen zu wollen, ist also nicht nur unangebracht, sondern schlichtweg unmöglich. Und sollte auch nicht verlangt werden – zumindest nicht von einer Gruppe und im Rahmen eines fröhlich angedachten Events. Wenn schon nicht die Höflichkeit, sollte zumindest das Fingerspitzengefühl derartiges verbieten.
Ausnahmen dürfen, meiner Meinung nach, aber gemacht werden. Bei guten Freunden beispielsweise – dann aber nur im kleinen Kreis von maximal vier Personen. So wie es öfter beim Pärchentreff mit unseren gemeinsamen Freunden Katja und Tom läuft. Wenn mein Freund und ich bei ihnen zu Besuch sind, regt sie sich fast schon rituell über Toms „Häufchenbildung“ auf Sideboard und Esstisch auf. Dann komme ich Tom immer zu Hilfe, indem ich meine noch viel größeren Ablagehaufen ins Feld führe. Meistens beenden wir die Angelegenheit dann mit dem Fazit, dass eigentlich falsche Paar-Konstellationen bei uns Vieren vorherrschen. Humor ist in diesen Fällen unser Rettungsanker.
Es kam aber auch schon vor, dass die Beiden uns bei einem netten Beisammensein konkret um Hilfe gebeten haben. Oder wir sie. Zum Beispiel als ich und mein Freund sie vor Kurzem gefragt haben, ob es sie auch verletzt hätte, wenn ihr Partner nicht an die lebenslange Liebe glaubt und das auch ganz unverblümt postuliert.
Das muss unter guten Freunden drin sein, finde ich. Und die Befragten können dann selber entscheiden, ob sie tiefer einsteigen oder es bei einem kurzen Meinungsbild belassen wollen. Bei beiden Szenarien ist allerdings wichtig, nur seine persönliche Sichtweise schildern, nicht Partei zu ergreifen und erst Recht nicht zu einem „Ergebnis“ kommen zu wollen.
Witzigerweise endete unser Meinungsbild dann damit, dass Katja und Tom sich beim Thema „lebenslänglich“ in die Haare bekamen. Aber die Wogen haben wir dann schnell wieder geglättet, indem wir beschlossen, dass ich und Katja ein Paar werden und die Herren der Schöpfung eine neue Lebensabschnittspartnerschaft eingehen.