Forderung sorgt für Rückzug
Auf Stress durch eine gefühlte Bedrohung reagieren Menschen mit Flucht, Gegenangriff oder Starre. Evolutionär hat sich das durchgesetzt. Die Gehirnregionen, die abwägen und analysieren, sind stammesgeschichtlich jünger, bevor sie erreicht werden, wurde bereits das Stressprogramm ausgelöst.
Im Streit kann sich ein Angriff als Verfolgung darstellen, als Dranbleiben und nicht Nachlassen in seiner Bemühung. Dabei sind diese Verhaltensweisen nicht nur kontraproduktiv, sie zahlen auch wenig auf den Ursprung der Emotion ein: die Angst, die Bindung zu verlieren, womöglich verlassen zu werden. Wären Menschen offen und ehrlich, müssten sie eigentlich sagen: „Bitte zieh dich nicht zurück, ich habe Angst, dass du mich jetzt alleine lässt mit meiner Furcht.“
Dann könnte der Partner, der sich zurückzieht, sagen: „Es bereitet mir Sorge, dass wir scheitern, wenn wir uns nicht einigen können. Mich macht nervös, wenn du unzufrieden bist. Ich versuche ja, unser Problem zu lösen, wenn ich mich zurückhalte.“
Wie kommen Sie da raus, wie unterbrechen Sie den Zyklus?
Zunächst können Sie versuchen, kognitiv dagegen zu steuern. Das bedeutet, Sie erkennen Ihr Verhalten, Sie ertappen sich und Ihren Partner bei diesem Tanz, sprechen an, was Sie tatsächlich fühlen und konzentrieren sich ganz und gar auf die Beziehungsebene Ihres Konflikts.
Der wichtigste Teil hierbei ist gegenseitiges Verständnis für die jeweilige Position zu entwickeln, also Bindung herzustellen – und das ist das Gegenmittel zum eigentlichen Streit, bei dem es letztlich immer nur darum geht, die emotionale Distanz zu verringern zwischen den Partnern. Statt aus Furcht vor Verlust des Zusammenhaltes die Kluft zu vergrößern, erhöhen Sie also die Kontaktflächen. Das allein löst nicht den Konflikt, aber es bringt Sie näher zusammen, um eine Lösung zu finden.
Auch im Streit sollten Sie immer emotionale Nähe suchen. Es ist die Distanz, die Angst bereitet und letztlich aus einem Abgleich von Wünschen und Bedürfnissen einen Streit machen. Gehen Sie also aufeinander zu, besprechen Sie Ihre Standards, diskutieren Sie Ihre jeweiligen Dealbreaker und erklären Sie sich gegenseitig, woher Ihre Überzeugungen und Haltungen zu einem Thema kommen, wie diese Überzeugungen entstanden sind (ja, da werden Kindheitserinnerungen geweckt!) und warum Sie Ihre Grenzen wo ziehen.
Sie können Ihren Partner nicht ändern. Aber Ihre eigene Haltung. Und wenn Sie ganz ehrlich in sich hinein hören: wenn ein Thema Sie so richtig nervt und belastet, dann hat das vermutlich mehr mit Ihnen selbst zu tun als mit Ihrem Partner. Um eine glückliche, harmonische Beziehung zu führen, müssen Sie nicht in allen Dingen einer Meinung sein.
Paare, die nie streiten, haben entweder das Interesse aneinander verloren oder resigniert. Oder sie üben sich in Konfliktvermeidung. Konfliktlösung ist aber immer der vielversprechendere Weg. Auch die glücklichsten Paare streiten. Es kommt nur darauf an, wie sie das tun.
- Glückliche Paare suchen kreative Lösungen
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- Glückliche Paare gehen Streit nicht aus dem Weg