Sind Treuetests gefährlich?

Aus Erfahrung weiß ich, dass Paare einander einen einmaligen Seitensprung aus einer Gelegenheit heraus sehr häufig verzeihen können, vermutlich, weil der sich nicht so bedrohlich anfühlt wie eine Affäre, die über einen längeren Zeitraum lief und nur durch Lügen und Betrug aufrecht erhalten werden konnte. Solche Affären beginnen beispielsweise sehr häufig mit Arbeitskollegen, wenn sich über längere Zeit der Zusammenarbeit eine exklusive Vertrauensbasis entwickeln konnte, die in Konkurrenz zur Beziehung tritt. Schleichend werden dann außerhalb der Beziehung immer mehr Themen besprochen, die vermeintlich in der Partnerschaft zuhause nicht angesprochen werden könnten. Und der erste Schritt zur Affäre ist eine Exklusivität neben Beziehung. Ein Treuetest (mit oder ohne Lockvogel) bildet diese Situation nicht ab, denn hierbei geht es nicht um eine einmalige Versuchung, sondern um einen fortlaufenden Prozess.

Wie gefährlich ist der Drang nach einem Treuetest?

Eifersucht an sich ist ein Zeichen von Verlustangst, wie sie jeder in einer Beziehung kennt. Die Ausprägung macht den Unterschied. Es ist ganz normal, dass man für den Partner die Priorität und nicht eine Option sein möchte. Und wenn der Partner plötzlich Verhaltensweisen verändert, wie dass er sein Smartphone nicht mehr aus der Hand legt und mit neuen Sicherheitsmaßnahmen absperrt oder sich vom Sofasitzer zum eifrigen Sportler verwandelt, während die Partnerin zuhause davon ausgeschlossen wird, dann ist Misstrauen vielleicht berechtigt. Und natürlich ist es naiv zu glauben, dass jeder ertappte Partner eine Affäre sofort zugeben würde. Dennoch bin ich überzeugt, dass Aussprache und ehrliches Interesse am Partner der bessere Umgang mit einem solchen Verdacht ist, als jeder Treuetest. Denn das ist, was ich immer wieder erlebe in der Paarberatung: Extreme Eifersucht und Verlustangst treiben Partner erst recht in die Arme einer Affäre.

Ein Treuetest muss nicht ein Symptom für eine bereits vorhandene Schieflage der Beziehung darstellen. Aber es ist durchaus möglich, dass die Eifersucht eines Partners unbegründet ist und vor allem auf dem eigenen Selbstwert basiert, weil dieser in einer früheren Beziehung verletzt wurde. Dann ist das Misstrauen eine Art Schutzstrategie gegen einen erneuten Betrug. Doch das ist dann vor allem eine unaufgearbeitete Erfahrung, die letztlich in der Verantwortung des Betroffenen liegt. Ohne Vertrauen ist eine Beziehung nun einmal nicht möglich und wer nicht vertrauen kann, der muss sich im Ernstfall um eine traumatherapeutische Unterstützung bemühen.


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