Das Internet ist voller Männer, äh Menschen, die sich dort öffentlich wundern, warum sie wegen einer Lappalie verlassen wurden. In der Regel „aus heiterem Himmel“. Wegen nicht (oder falsch) ausgedrückter Zahnpastatuben, nicht ausgeräumter Spülmaschinen oder nicht entsorgter Müllbeutel.
Sachebene allein funktioniert nicht
Nun ist man ja nicht dabei gewesen, aber selbst aus der Ferne scheint es eher unwahrscheinlich, dass Menschen aus solchen Gründen Schluss machen. Erst Recht, ohne vorher mehrmals zu sagen: „Bitte lass die Zahnpastatube nicht offen, bitte räum auch mal unaufgefordert die Spülmaschine aus, bitte bringe den Müll runter“. Denn ganz bestimmt wurden diese „Verfehlungen“ mehrmals angesprochen. Dass dies bislang auf taube Ohren stieß, liegt sicherlich daran, dass die Partner vorrangig auf der Sachebene unterwegs waren. Bei der es (vordergründig) tatsächlich um „Kleinigkeiten“ ging.
Hätte der Adressat gewusst, dass „nie räumst du den Geschirrspüler von alleine aus“ (nach dreimaliger höflicher Bitte wird dieser Satz vermutlich so oder ähnlich gefallen sein) eigentlich bedeutet „Ich fühle mich von dir überhaupt nicht wertgeschätzt und kann so nicht leben“ hätte er wahrscheinlich reagiert. Oder zumindest mal nachgefragt, warum das so ist. Aber um fair zu bleiben, muss man sagen, dass tatsächlich nie von Wertschätzung gesprochen wurde – sondern immer nur von Spülmaschinen und Zahnpastatuben.
Die Beziehungsebene hat es in sich
Dabei geht es in zwischenmenschlicher Kommunikation nie nur um die Sachebene. Diese stellt nämlich nur einen kleinen Anteil am großen Kuchen dar. Im wissenschaftlichen Eisbergmodell machen sachliche Fakten nur 20 Prozent einer Botschaft aus (der sichtbare Teil des Eisbergs). Der viel größere Teil einer Nachricht spielt sich aber auf der Beziehungsebene ab. Und die ist alles andere als sachlich, sondern total subjektiv. Denn alles, was wir sagen oder hören, wird durch unsere eigenen Erfahrungen gefiltert. Ohne, dass wir uns dessen bewusst sind, hören und sprechen wir immer auf verschiedenen Ebenen. Während der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick zwischen einem Inhalts- und einem Beziehungsaspekt unterscheidet, spricht der Psychologe und Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun sogar von vier Kommunikationsebenen. Neben der Sach- und Beziehungsebene kommt in seinem „Vier-Ohren-Modell“ (auch Kommunikationsquadrat genannt) noch die Selbstoffenbarungs- und die Appellebene ins Spiel.
Ursachen für Kommunikationskonflikte
Kommunikationskonflikte entstehen dann, wenn Sender und Empfänger der Nachricht die verschiedenen Ebenen unterschiedlich deuten oder gewichten. Besonders heikel wird es, wenn die Beziehungsebene vernachlässigt oder ganz ignoriert wird – wie im Beispiel mit der Spülmaschine oder Zahnpastatube. Dummerweise können nicht nur Aussagen, sondern auch Nichtgesagtes missverständlich interpretiert werden. So können im Zweifelsfall Mimik, Gestik, Sprechtempo, Lautstärke oder auch Pausen gegen den anderen ausgelegt werden. Diese non- und paraverbalen Signale sind wichtige Marker für die Beziehungsebene.
Beziehungsebene dechiffrieren
Um Missverständnisse und Fehlinterpretationen zu vermeiden, muss also die Beziehungsebene deutlich angesprochen werden. Oder, wenn dies nicht passiert, dechiffriert werden. Was der Sender also wirklich meint, wenn er von Spülmaschinen und Zahnpastatuben spricht, erschließt sich dem Adressaten nur durch aufmerksames, aktives Zuhören. Damit lassen sich Informationen sammeln, Zwischentöne heraushören und die vier (oder mindestens zwei) Seiten einer Nachricht verstehen und würdigen. Persönliche Eigenheiten und Hintergründe sollten dabei ebenso berücksichtigt werden, wie non- und paraverbale Signale.
Falls etwas unklar ist, gleich nachhaken. Am Ende dann alles am besten noch einmal zusammenfassen, so wie man es verstanden hat. Das Tolle ist: Man muss eigentlich noch nicht einmal verstehen, warum dem anderen das mit der Spülmaschine oder der Zahnpastatube so wichtig ist. Sondern nur, dass es das ist. Nun mag vielleicht der Einwand kommen „warum die ganze Mühe, kann der andere nicht gleich klar kommunizieren?“ Theoretisch stimmt das natürlich, aber in der Praxis ist das offensichtlich oft nicht möglich.
Tipps für klare Kommunikation
Denn wer kommuniziert schon perfekt? Hier ein paar Tipps für alle, die das zumindest versuchen wollen:
- Daten, Fakten und Sachverhalte klar und eindeutig ausdrücken
- Informationen von Gefühlen bewusst trennen
- Bewusst auf der Beziehungsebene agieren und Gefühle als solche formulieren
- Wünsche nicht als Vorwurf, sondern als Wunsch formulieren
- Kritik situationsbezogen äußern und nicht auf andere Situationen übertragen
- Niemals „nie“ oder „immer“ sagen (immer muss ich dir hinterher räumen, nie tust du etwas von alleine)
Das klingt zugegebenermaßen anstrengend – und ist es für die meisten wahrscheinlich auch, zumindest am Anfang. Aber es ist die Mühe wert. Im Berufsleben und erst Recht in der Beziehung. Schließlich liebt und respektiert man den Partner ja. Das sollte dann auch in der Kommunikation zum Ausdruck kommen. Wer das grundlegende Beziehungskonzept von Empathie und Wertschätzung verstanden hat und danach lebt, wird mit einer harmonischen Beziehung belohnt – und nicht wegen einer unausgeräumten Spielmaschine verlassen.