Das Paar stand gern in der Küche, probierte neue Gerichte aus, die Auswahl des richtigen Weins spielte eine bedeutende Rolle. Am Wochenende sind Marita und Sebastian oft den ganzen Vormittag in dem Weingeschäft ihrer Wahl, kosten Weine, unterhalten sich über den Geschmack, das ist für sie Lebensart.
„Wir haben diese Liebe zum Wein geteilt, eine kultivierte und kontrollierte Liebe, keine Exzesse“, erzählt Sebastian. „Wir haben Wein getrunken wie wir es von unseren Reisen nach Italien kennen, zum Essen ein guter Tropfen, ein Glas oder vielleicht auch zwei, vielleicht ausnahmsweise eine Flasche zusammen leeren, das war stets das höchste der Gefühle. Marita und ich, wir haben auch unsere Abneigung gegen Saufgelage geteilt, uns beide hat es immer abgestoßen, wenn jemand betrunken war. Und nun sitze ich mit Marita am Tisch, sie hat glasige Augen, sie lallt, sie wankt, wenn sie aus dem Zimmer geht, eine jämmerliche Gestalt. Ich schaue ihr hinterher, und sie tut mir nicht leid, ich denke nicht, die arme Marita, sie ist krank, Du musst ihr helfen. Als es losging damit, da habe ich sie selbstverständlich gefragt, ob sie Sorgen hat, ich wollte etwas für sie tun, sie hat das verneint, es sei alles wunderbar, meinte sie. Sie hat auch am Tag nach dem Betrunkensein verneint, dass sie überhaupt betrunken war. So kenne ich sie nicht, so stur, fast dumm. Marita ist normalerweise sehr selbstreflexiv. Sogar wenn ihre beste Freundin sie liebevoll darauf angesprochen hat, dass Marita am Abend davor nicht mehr gerade gehen konnte, hat Marita so getan, als hätte man sich gegen sie verschworen. Auch andere Freunde haben bemerkt, dass Marita jetzt oft ein oder sogar zwei Flaschen trinkt, wenn wir zusammen sind. Alle stoßen bei Marita auf taube Ohren. Die Freunde und ich, wir haben ihr gesagt, sie müsse zum Arzt oder zu einer Beratungsstelle. Natürlich wäre ich mitgegangen. Marita lehnt das alles ab. Sie ist wie verhext. Irgendwann hat sie dann einmal genervt gesagt, meine Güte, selbst wenn es so wäre, selbst wenn ich nun manchmal über die Stränge schlage, nachdem ich es jahrelang nicht getan habe, lass mich doch, sei tolerant, in der Ehe muss man Kompromisse eingehen. Du hast Dich ebenfalls verändert, nichts Dramatisches, aber ich gehe auch Kompromisse ein, ich akzeptiere, dass Du ein bisschen faul geworden bist, dass wir weniger unternehmen als früher.