Nicht WIR haben ein Alkoholproblem – DU hast ein Problem

Wo hört die Liebe auf, wo fängt die Selbstverleugnung an?

„Gerade weil Marita und ich eher Beziehungsmuffel waren, haben wir uns vor unserer Heirat sehr ernsthafte Gedanken darüber gemacht, wie wir uns eine Ehe vorstellen, wie wir damit umgehen, dass es sicher im Laufe einer jahrzehntelangen Beziehung zu Veränderungen kommt“ sagt Sebastian. „Wir haben nächtelang darüber diskutiert, wo für jeden von uns eine bestimmte Grenze ist oder eben die alles trennende Grenze, wo wir doch wieder unseren eigenen Weg einschlagen. Zusammen sein und man selbst bleiben, das war unser Motto. Den anderen nicht um jeden Preis lieben! Gerade wir, die wir total dagegen sind, sich zu verbiegen, das eigene Selbst für die Partnerschaft aufzugeben, wollten das im Vorfeld ausloten. Wo hört die Liebe auf, wo fängt die Selbstverleugnung an? Ich war mir auf alle Fälle sicher, dass ich immer zu Marita halten will. In guten wie in schlechten Zeiten, wir haben uns das sogar vor dem Altar versprochen. Was hatte ich dabei im Sinn? Was hatten wir im Sinn? Sicherlich, dass einer von uns krank werden könnte, das hatten wir auf der Agenda. Ich weiß, dass Alkoholismus als Krankheit gilt, aber ehrlich gesagt habe ich so etwas nicht im Sinn gehabt, als ich mir vorgestellt habe, welche Kompromisse ich vielleicht eingehen muss, wenn Marita eine schwere Krankheit bekommt, die unseren Alltag bestimmt und Kompromisse nötig macht. Hätte Marita zum Beispiel Krebs, würde ich damit zurechtkommen. Ich drücke mich nicht. Aber dass Marita ständig sternhagelvoll ist, dass ich Scheu habe, Gäste zu empfangen wie früher, weil meine Frau den Abend sprengt, an diese Art von Kompromiss oder Zugeständnis habe ich nie gedacht. Für Marita ist die Welt völlig in Ordnung, wenn sie selbst erkennen würde, dass sie ein Problem hat, wenn sie es angehen würde, dann wäre ich jetzt an ihrer Seite.“

Aus Gemeinsamkeiten werden Gegensätze

Im Rückblick kann Sebastian nicht mehr genau sagen, wie alles angefangen hat mit dem übermäßigen Trinken von Marita. Es gab keinen Auslöser bei ihr, weder in ihrem beruflichen Alltag noch privat, keine Krise, keine Erschütterung, auch in der Beziehung lief alles perfekt. Marita und Sebastian haben ihr Leben genossen. Dazu gehörte fundamental gutes Essen und gutes Trinken, für Freunde kochen, Geselligkeit.


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