Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Ist mein Partner Narzisst?

Sie möchten herausfinden, ob Ihr Partner ein Narzisst ist? So erkennen Sie bei Ihrem Partner narzisstische Persönlichkeitsanteile. Außerdem erläutert Paartherapeut und beziehungsweise-Chefredakteur Eric Hegmann in diesem Artikel, wie schwer es ist, sich aus einer Beziehung mit einem Narzissten zu lösen

„Ich glaube, mein Partner ist ein Narzisst“ – Diesen Satz höre ich heute deutlich häufiger in der Beratung als noch vor einigen Jahren. Sicher, die Gesellschaft ist egoistischer geworden, auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ist die Hilfsbereitschaft auch so groß wie nie zuvor und immer mehr Menschen engagieren sich ehrenamtlich.

Narzissmus ist zum Modebegriff geworden

Verwenden wir den Begriff Narzissmus vielleicht voreilig und inflationär, weil er inzwischen zu einem Modebegriff geworden ist? Oder wollen wir uns selbst schützen, indem wir uns in die Opferrolle begeben und dem Partner als Narzissten gewissermaßen die „Täterrolle“ zuweisen? Eine Antwort kann nur im Einzelfall gegeben werden. Fest steht aber, dass die Grenzen zwischen gesundem und pathologischen Narzissmus fließend sind, was dieses Phänomen so schwer zu greifen macht. Eigentlich sollte man sowieso besser von narzisstischen Anteilen oder – bei starker Ausprägung – von einer narzisstischen (Persönlichkeits)Störung sprechen, denn das Potenzial zum Narzissmus trägt jeder von uns in sich. Es kommt auf die Ausprägung an.

Inhalt dieses Artikels:

Was ist ein Narzisst?

Narzissmus bezeichnet allgemein eine überzogene Selbstverliebtheit, die mit einer starken Selbstidealisierung einhergeht. Es ließe sich sagen: Der Narzisst macht das eigene Ich zum Fetisch. Es besteht somit grundsätzlich ein Unterschied zu einer (gesunden) Selbstliebe. Von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung (nur von Experten diagnostizierbar!) ist die Rede, wenn ein tiefgreifendes Muster von Grandiosität (real oder fantasiert), ein starkes Bedürfnis nach Bewunderung und ein ausgeprägtes Empathiedefizit vorliegen. Meist liegt der Beginn der Störung im frühen Erwachsenenalter und wirkt sich auf mehrere Lebensbereiche (nicht nur z.B. auf Partnerschaften) aus.

Aus dieser allgemeinen Charakterisierung lassen sich verschiedene Merkmale ableiten, die Narzissten typischerweise ausmachen.

6 Kennzeichen von Narzissten

1. Narzissten haben keine Empathie

Sich in andere hineinzuversetzen, fällt Menschen mit einer narzisstischen Störung schwer. Nicht immer ist das leicht erkennbar, denn um etwas zum eigenen Vorteil zu erreichen, können sie geradezu hellseherisch wirken. Das Gegenüber ist beeindruckt von der Treffsicherheit der Einschätzungen, vermutet Einfühlungsvermögen, wird aber eigentlich – nicht zwingend bewusst oder mit Vorsatz – manipuliert.

Dass Narzissten tatsächlich Störungen im Empathie-Empfinden haben, scheinen Messungen der Großhirnrinde zu bestätigen. Die Regionen, die für Mitgefühl verantwortlich sind, bleiben meist unterentwickelt.

2. Narzissten haben einen niedrigen Selbstwert

Bereits in der frühen Definition des Narzissmus durch Freud wurde deutlich, dass Narzissten in der frühkindlichen Entwicklung einen Verlust von Nähe und Zuneigung erfahren haben – beispielsweise durch ein narzisstisches Elternteil. Als Folge muss das niedrige Selbstwertgefühl durch ständige Anerkennung und Bestätigung von Anderen aufgewertet werden.

3. Narzissten lassen sich keine Grenzen aufzeigen

„Bis hierher und nicht weiter“, das hören Narzissten gar nicht gerne. Während andere Menschen womöglich Strukturen sogar als hilfreich ansehen, fühlt sich der Narzisst abgewertet. Sein ja sowieso niedriger Selbstwert wird nun verletzt, und darauf reagiert er mit Gegenangriff. Regeln gelten für andere, nicht für ihn. Grenzen sind in seinen Augen notwendig – aber nur um sich selbst zu schützen.

4. Narzissten sehen die Welt schwarz-weiß

Ob Kollegen oder Freunde: Menschen sind entweder super oder ganz doof. Dazwischen gibt es nichts. Verzeihen fällt Narzissten schwer, denn mangels Empathie können sie Gründe für Fehlverhalten und Versagen nicht wirklich nachvollziehen. Sie sehen die Kränkung und reagieren so, wie sie es für richtig halten: keine zweite Chance!

5. Narzissten suchen nach Aufmerksamkeit

Viel Aufmerksamkeit, viel Anerkennung, viel Lob, viel Bewunderung: Narzissten benötigen Zuwendung wie Treibstoff. Weil sie von sich aus wenig Selbstbewusstsein mitbringen, müssen sie ihren Tank immerzu auffüllen lassen. Das ist es, was Beziehungen mit ihnen so anstrengend macht: Sie zapfen die Energie ihrer Umgebung an und lassen diese erschöpft und ausgelaugt zurück.

6. Narzissten streben nach Dominanz

Immer der Erste, immer der Beste sein zu wollen, wäre für die meisten Menschen schlicht zu anstrengend. Wozu auch? Aber auch noch ein anderer Aspekt unterscheidet Narzissten von anderen: Sie bitten nicht um Hilfe oder um Unterstützung. Sie möchten andere Meinungen nicht in die eigenen Entscheidungen integrieren.

Warum uns Narzissten so leicht überzeugen

In Studien wurde sehr deutlich aufgezeigt, dass narzisstische Gruppenmitglieder bereits beim ersten Treffen von allen anderen als besonders offen, kompetent, gewissenhaft, kontaktfreudig oder unterhaltsam erlebt wurden. Gelobt wurde ihre Eloquenz – denn sie sind meist redegewandt, scheuen sich nicht, auf andere zuzugehen und sich zu informieren – ebenso wie ihr Unterhaltungswert und ihr – vermeintlich – selbstsicheres Auftreten. In der Kennenlernphase sind Narzissten das pure Gegenteil eines selbstverliebten Egomanen. Sie wirken im Gegenteil ehrlich und aufrichtig bemüht, sie werben sehr fantasievoll und kreativ und hinterlassen den Eindruck: wow!

Die schwierigen Seiten des Narzissmus

In Partnerschaften fallen Narzissten weit überdurchschnittlich häufig durch Ungehemmtheit und Außenbeziehungen auf. Denn in der Sexualität benötigt der Narzisst Abwechslung und Bestätigung. Er bevorzugt dabei oft auch Spielarten, bei denen das eigene Erleben im Vordergrund steht und weniger das gemeinsame. Als Eltern wollen sie ihre Kinder kontrollieren, es geht ihnen weniger um Schutz als um Unterwerfung. Narzisstische Eltern sind oft wütend auf ihre Kinder, so dass diese glauben, alles falsch zu machen. Narzisstische Störungen werden so häufig an die nächste Generation weitergegeben.

Beziehungspartner werden erschöpft und ausgesaugt. Sind sie nicht mehr dazu fähig, ständig Anerkennung zu geben, werden sie ausgetauscht oder massiv niedergemacht und entwertet. Wer aus einer Beziehung mit einem Narzissten kommt, benötigt oft externe, professionelle Hilfe und Unterstützung, um nicht in der nächsten Partnerschaft in eine erneute destruktive emotionale Abhängigkeit zu geraten.

Typische Aussagen von Partnern von Narzissten aus der Beratungspraxis:

  • “Er hat mir gesagt, er wolle mit mir angeben können”
  • “Er hat mich beschimpft, wenn ich einen Fehler gemacht habe”
  • “Sie hat mich vor ihren Freundinnen angeschrien
  • “Es musste alles so sein, wie sie es wollte – oder gar nicht”
  • “Sie hat versucht, mich in allen Bereichen zu verändern
  • “Er begründete alles damit, dass er ja nur das Beste für mich wolle”
  • “Sagte ich einmal „nein“, sprach er eine Woche lang nicht mehr mit mir”
  • “Am Ende wusste ich nicht mehr, ob nicht doch ich der Narzisst war
  • “Er drehte mir das Wort im Mund herum
  • “Ich kann mich nicht erinnern, dass er sich einmal entschuldigt hätte”

So befreien Sie sich aus einer Beziehung mit einem Narzissten

Häufig bemerken es nicht einmal die Freunde, dass dieser offensichtlich wortgewandte und charmante Mensch ein Narzisst sein könnte. Im Gegenteil, sie werfen den Betroffenen oft vor, zu übertreiben oder sich Dinge einzubilden. Sich aufs eigene Urteil zu verlassen, den eigenen Stimmen wieder zu vertrauen, ist in dieser Situation oft nicht möglich.

Meist braucht es einen schmerzhaften Anlass wie eine Außenbeziehung oder einen Seitensprung, damit die Partner von Narzissten erfassen, in welcher Abhängigkeit sie sich befinden. Oft genügt auch das nicht, zumindest nicht sofort. Die Partner von Narzissten leiden in vielen Fällen ebenfalls unter einem geringen Selbstwert. Sie suchen deshalb den Fehler bei sich: Hätten sie dies getan oder jenes gelassen, dann wäre ihr Partner bei ihnen geblieben und hätte sich die Bestätigung nicht außerhalb der Beziehung gesucht.

Es ist ein leider langwieriger Prozess, sich von solchen Gedanken zu lösen und zu befreien. Wut und Empörung auf den narzisstischen Partner ist häufig der erste Schritt, Distanz zu schaffen. Doch weil die Partner von Narzissten körperlich und geistig geschwächt und ausgelaugt sind, verharren sie meist sehr lange in der Phase der Niedergeschlagenheit und leiden unter Depressionen. Ohne Unterstützung ist es dann kaum möglich, sich tatsächlich zu befreien und die Verletzungen zu heilen.

Sollte sich Ihr Partner als Narzisst herausgestellt haben und Sie Ihre toxische Beziehung nun beenden wollen, so empfehlen wir Ihnen Folgendes:

  • Holen Sie sich bei Dritten emotionale (und ggf. auch professionelle) Unterstützung
  • Seien Sie während und nach einer Trennung konsequent (ein schmaler Spalt reicht Narzissten bereits, um wieder den „Fuß in die Tür“ zu bekommen)
  • Stärken Sie Ihren Selbstwert, schreiben Sie Selbstfürsorge groß
  • Rechnen Sie mit massiven Widerständen gegen die Trennung vonseiten Ihres Partners bzw. Partnerin (teilweise bis hin zu Drohungen oder Stalking – in diesem Falle sollten Sie sich unbedingt Hilfe und Unterstützung holen)


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