Modern (Ego-)Talking: Wenn sich alles nur noch ums Ich dreht

Unser Autor zog Bilanz zum neuen Jahr. Für ihn steht fest, dass er keine Lust mehr auf Menschen in seinem Umfeld hat, die die ganze Zeit nur ein Thema kennen: sich selbst!

„Ich, icher, am ichsten“ ist nicht bloß ein verbreiteter Spruch, den man zu gern auf das narzisstische Zeitalter (und damit meistens die anderen) bezieht, sondern manchmal auch bittere Realität, vor allem dann, wenn mein Gegenüber meint wichtiger, besser und klüger zu sein. Also wenn sein Wort scheinbar mehr zählt als meines, wenn meine Rolle also nur aufs Zuhören beschränkt ist und ich das Gefühl vermittelt bekomme, dass meine Meinung nicht interessant genug ist, um aus seinem einsamen Monolog einen gemeinsamen Dialog zu machen.

Früher konnte ich über solche Selbstdarsteller schmunzeln

Früher konnte ich über solche Selbstdarsteller und Klugscheißer schmunzeln. Man nannte sie Labertaschen. Anzutreffen waren sie im Wartezimmer von Arztpraxen, beim Friseur oder vor der Käsetheke im Supermarkt.

Heutzutage treffe ich auf solche Gestalten an fast jeder Straßenecke, so dass man annehmen könnte, sie hätten nur darauf gewartet, einen Dummen zu finden, den sie dicht labern können mit ihrem teilweise doch recht unnützen Wissen. Und heute kann ich auch nicht mehr darüber schmunzeln. Andauernd unterbrechen sie einen, lassen einem keinen Raum, sich zu zeigen, sind aber beleidigt, wenn man ihnen nicht genug Anerkennung zuteil werden lässt. Wie es mir dabei geht, scheint ihnen egal zu sein, auch wenn ich ihnen keine böswillige Absicht unterstellen möchte. Ich denke mal, dass sie es nicht mitbekommen, was sie aber nicht aus ihrer Verantwortung entlässt.

Das beste Beispiel geben so manche Bekanntschaften meiner Freundesliste bei Facebook ab. „Hi, wie geht’s dir, wie war dein Tag?“ Das ist meistens alles, was sie fragen. Danach fängt der Ego-Talk an.

Interessierte Nachfragen? Fehlanzeige!

Erzähle ich ihnen, dass ich Halsweh habe, nehmen sie die Rolle des Apothekers ein und erzählen mir, was sie dann machen, was am besten hilft, was auf gar keinen Fall hilft und warum ich nur ihrem Rat folgen sollte. Erzähle ich ihnen von meinem Arbeitstag, werde ich nach dem ersten Satz sofort unterbrochen und sie erzählen gleich, was sie erlebt haben, ohne nochmals interessiert nachzufragen, wie mein Arbeitstag denn nun wirklich gewesen ist.


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