Wer zu viel vertraut, wird enttäuscht. Aber wer nie vertraut, bleibt allein. Warum Festhalten am Schmerz zu Misstrauen in der Beziehung führt
Warum so viele Beziehungen nach einer Affäre nicht mehr zu kitten sind? Weil die Vertrauensbasis gestört ist. Da steht ein Partner und bittet um Verzeihung und verspricht, sich nie wieder so verletzend zu verhalten und der andere würde sich gerne versöhnen, würde gerne vergeben – doch kann nicht, weil das Misstrauen zu groß, die Verletzung zu tief ist.
In der Beratung erlebe ich die Situation oft. Der Betrogene macht sich Selbstvorwürfe: „Wie konnte ich das alles nur nicht mitbekommen? Was ist mein Anteil? Wo habe ich weggestoßen und abgeblockt?“ Alle diese Fragen lassen sich beantworten. Viel schwerer ist aber dieser letzte, entscheidende Gedanke: „Kann ich meinem Partner (oder irgendeinem Menschen) jemals wieder vertrauen?“
Wer aufmerksam Kommentarspalten unter Liebesgeschichten oder Beziehungsratgebern liest, wird immer wieder Aussagen wie diese bemerken: „Alles richtig, aber nicht, wenn man so verletzt wurde …“. Den meisten Schreibern ist durchaus klar, wie viel Schwäche sie damit preisgeben. Wie viel kleiner sie sich machen, als sie eigentlich sind. Nur, sie können in dieser Situation nicht anders mit ihrem Schmerz umgehen, als ihn nach außen zu tragen, wie ein Schutzschild.
Wenn wir Schmerzen verspüren, dann weil uns damit gesagt wird: Was gerade passiert, was du gerade machst, was jemand mit dir anstellt, das tut dir nicht gut. Es ist eine Warnung. Angst will uns vor Schmerz bewahren. Die größte Angst verspüren wir, wenn wir den Schmerz noch nicht kennen und nicht wissen, was uns erwartet, wie schlimm es werden wird. Denn dann ahnen wir, was uns Grausames erwartet und unsere Fantasie kennt deutlich weniger Grenzen als die Menschen um uns herum.
Das Festhalten am Schmerz, den man kennt, mit dem man sich arrangiert hat, ist deshalb weniger Furcht einflössend, als eine neue Verletzung zu riskieren. Die könnte ja – so malen wir uns das aus – noch weitaus schlimmer kommen.
Wer zu viel vertraut, kann immer wieder enttäuscht werden. Wer nie vertraut, bleibt unglücklich, weil er ohne zwischenmenschliche Beziehungen auskommen muss. Und nein, auch Hund, Pony, Katze oder Vogel können am Abend nicht die Arme ersetzen, die Sie zärtlich umschließen und Ihnen das Gefühl von Halt und von Stärke vermitteln, dass Sie benötigen, um unbeschadet durch diese Zeit zu kommen. Wenn zwei Verliebte einen Gedanken teilen, aufblicken, ihre Augen sich treffen und sie sich gegenseitig ineinander wieder erkennen: Was kann es geben, das uns mehr zu Menschen macht als die Liebe?