Meine schlechte Laune ist nur ein Schrei nach Liebe

Wenn ein Partner ein Morgenmuffel ist, wird das Aufstehen für Beide zur Qual. Muss das eigentlich so sein?

Seit ich mich erinnern kann war das bei mir so: Eben erst mühsam aufgestanden – und am liebsten gleich wieder ins Bett. Ein klassischer Morgenmuffel. Ich schlafe nämlich gern. Schlafen ist schön. Wirklich. Schlafen ist nicht nur ein Bedürfnis, es ist eine Leidenschaft. Ich bin ein Kampfkuschler. Es gibt nichts Schöneres als ein regelmäßiger Atemzug an meinem Hals und eine Decke, die von zwei Körpern erwärmt wurde.

Aufstehen war deshalb für mich schon immer eine allmorgendliche Vertreibung aus dem Paradies. Meine bessere Hälfte hatte sich damit gleich zu Beginn unserer Ehe arrangiert. Durch rechtzeitige Flucht.

Es ist nicht so, dass ich mir keine Mühe gegeben hätte. Obwohl es mir für Anstrengungen eigentlich viel zu früh war, probierte ich die vielfältigen Ratschläge meiner Umwelt aus.

So gab es statt nervöser Radio-Moderatoren oder greller Werbe-Spots im Frühstücksfernsehen ausschließlich friedfertige Klaviermusik auf die Ohren. Dazu grünen Tee mit Honig. Wir dachten sogar ernsthaft über eine Fußbodenheizung im Bad nach. Wer könnte mit warmen Füßen eiskalte Gedanken hegen? Nun, ich konnte. Beim Gedanken an die Kosten beispielsweise.

„Vor Mittag keine Nachrichten hören oder lesen“, schlug mir eine Kollegin vor, die sich aus Berufsgründen mit psychischen Verstimmungen beschäftigt und vermutlich deshalb zu solch pragmatischen Ratschlägen neigt. Also erst Nahrung und Energie für Gehirn und Körper und danach hysterische Schlagzeilen.

“Wenn du etwas nicht ändern kannst, dann ändere deine Haltung”, heißt es. Also startete ich jeden Morgen mit einer Runde Positive Thinking. Ich lächelte mir im Spiegel zu und nahm mir vor, dass dies ein guter Tag wird. Das glaubte ich gerne. Nur eben noch nicht um diese Uhrzeit.

Tatsächlich sank so die Reizschwelle. Aber nur wenig. Es genügte weiterhin die banalste Kleinigkeit, um mich vollends ungeniessbar zu machen. So wie die tägliche Stampede der Elefantenherde zwei Stockwerke über mir beim Aufbruch zur Schule.

Jeder Ärger ist ein Ruf nach Liebe

Nun fiel mir jüngst ein Buch über die Ursachen von Aggression, Wut und Frust in die Hände. Jede Unfreundlichkeit, jeder Ärger, jede Attacke ist danach in Wahrheit Wunsch und Ruf nach Liebe. Denn nichts stimmt unglücklicher als sich abgelehnt und ungeliebt zu fühlen.

Jetzt kann ich mich nicht über ungeliebt sein beklagen. Meine bessere Hälfte liebt mich seit über einem Jahrzehnt und zeigt mir das. Nur eben nicht zu so früher Stunde! Denn da bin ich ein übellauniger Grottentroll, der aus seinem kuscheligen Nest vertrieben wurde.

Ich fragte mich, was sich verändern müsste, damit ich mich trotz Aufstehen wohlig zerkuschelt fühlen könnte. Die Antwort: Statt eines Partners auf der Flucht brauche ich einen Partner, der mich umarmt.

Es brauchte einen Tauschhandel (der zu sehr ins Private reicht, um darüber zu schreiben), um meine bessere Hälfte davon zu überzeugen, nicht mehr bei meinem ersten Augenaufschlag das Weite zu suchen. Sondern lieber einmal mehr kräftig nachzukuscheln.

Einige Versuche und blaue Flecken später zeigte sich bereits eine spürbare Verbesserung. Ich fühle mich nicht mehr aus dem Paradies vertrieben, denn das folgt mir sozusagen in den Tag, und seitdem lächelt mein Spiegelbild bereits, bevor ich überhaupt “Autosuggestion” murmeln kann.

Ich bin mittlerweile morgens so friedlich, dass ich das tägliche Getrampel der Nachbarskinder ohne Wunsch nach einem Jagdschein ertrage.

Selbstverständlich gibt es keine Entschuldigung für schlechtes Benehmen oder echte Aggression. Und nicht alles lässt sich wegkuscheln. Aber sich zusammennehmen fällt erheblich leichter nach einem Kuss.

Wahrscheinlich wäre die ganze Welt entspannter, würden wir uns alle öfter morgens in die Arme nehmen. Vielleicht fange ich bei mir im Treppenhaus mit ein paar Elefanten an.


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