Macht oder Ohnmacht: Wenn ein Partner die Führung übernimmt

Jetzt mal Hand aufs Herz: Wer hat mehr Macht in Ihrer Beziehung, Ihr Partner oder Sie? Wer führt an? Wer bestimmt, wohin Sie in den Urlaub fahren oder wie die Kinder erzogen werden? Sehr oft ist es mal so, mal so. Trotzdem gibt es in vielen Beziehungen eine ungleiche Machtverteilung, wie Natalie Schnack weiß

Wenn Sie öfter den Kürzeren ziehen und ohnmächtig dastehen, kennen Sie bestimmt den Wunsch danach, endlich ernstgenommen zu werden und Ihre Interessen in Ihrer Beziehung klar und deutlich zu vertreten. Doch wie gelingt es Ihnen, ohne zum rücksichtslosen Monster zu mutieren?

Gerade Menschen, die ihre Ellenbogen nicht einsetzen können oder wollen, fühlen sich im Nachteil. Während der Andere keine Probleme damit hat, Ihnen über den Mund zu fahren, hadern Sie damit. Denn oft haben Sie das Gefühl, Sie müssten sich erst rücksichtsloses oder knallhartes Verhalten und dickes Fell angewöhnen. Und die Meinung, man müsse sich dann schon gegen den Partner durchsetzen, um sich überhaupt Gehör zu verschaffen, ist nun mal nicht jedermanns Sache.

Es geht um die Überzeugung, nicht ums Durchsetzen

Beim Durchsetzen will man als Sieger aus einer Auseinandersetzung oder einem Gespräch hervorgehen. Und wo ein Sieger ist, gibt es immer auch Verlierer. Wissen Sie ja selbst, wenn Sie öfter zurückstecken. Doch das muss nicht sein und es geht auch anders!

Dem Partner auf der Augenhöhe zu begegnen, ihn mit ins Boot zu holen, auch wenn er anderer Meinung ist, ist wesentlich erfolgsversprechender.

Die Gesetzmäßigkeiten dieser Art von Kommunikation lassen sich ausgezeichnet – und ganz einfach! – mit dem Status-Konzept verdeutlichen.

Das Status-Konzept

Dieses Konzept stammt aus dem Improvisationstheater. Keith Jonstone, der Begründer des modernen Improvisationstheaters, hat es in seiner Arbeit mit Schauspielern entdeckt. Es besagt, dass Drama und Humor aus Situationen entstehen, in denen einzelne Spieler ihren eigenen sozialen Status gezielt senken oder erhöhen.

Im Improvisationstheater wird zwischen Hochstatus und Tiefstatus unterschieden. Das dient dazu, auf der Bühne klarzumachen, wer in der Szene dominiert und die Situation bestimmt, und wer sich unterwirft. Doch Status spielt nicht nur auf der Bühne eine Rolle, sondern bestimmt unser ganzes Leben.

Status wird zwischen Menschen immer ausgehandelt

Jeder von uns hat sich schon mal klein und unbedeutend gefühlt, während uns der Gesprächspartner groß und wichtig vorkam. Oder anders herum. Das ist völlig normal. In der Kommunikation wird ständig darum gefeilscht, wer führt, wer folgt, wer dominiert, wer sich unterwirft. In jeder Begegnung, in jedem Gespräch, in jeder Situation, in der mindestens zwei Personen involviert sind, wird Status ausgehandelt, meist ohne es zu merken. Stellen Sie sich den Status vor als einen unbewusst ablaufenden Abgleich und Positionierung der Personen zueinander.

In allem, was Sie also ausdrücken, in Ihrer Art des Sprechens oder in Ihrer Körpersprache, liefern Sie neben dem Inhalt auch Ihr aktuelles Status-Verhältnis zu Ihrem Gegenüber mit: „Ich führe du folgst.“ Oder „Du führst, ich folge.“

Holzschnittartig betrachtet läuft es so: Fühlt man mich “klein”, befindet man sich im sogenannten Tiefstatus; ist man selbstsicher und fühlt sich seinem Gegenüber überlegen, ist man im Hochstatus.

Das Ziel: Der Augenhöhe-Status

Ich habe für mein Buch „30 Minuten Selbstbehauptung” (2013, GABAL Verlag) neben dem im Improvisationstheater genutzten Hoch- und Tiefstatus den Augenhöhe-Status entwickelt: Statusverhältnis jenseits von Dominanzgehabe oder Unterwerfung.

Bei der Kommunikation auf Augenhöhe geht es darum, den Status-Unterschied zum Partner möglichst gering zu halten, damit abwechselndes Führen und Folgen überhaupt möglich ist.

Ein Tanz zu zweit

Weil der Status von zwei Menschen niemals identisch ist, gibt es immer jemanden, der führt – wie im Tanz zu zweit: Einer geht vor, der andere muss zurück, und dann anders herum. Und wenn dieser gemeinsame „Tanz“ richtig in den Fluss kommt, dann ist das Gespräch von Leichtigkeit geprägt und beide Partner gehen aufeinander ein.

Denken Sie dabei an ein wirklich gutes Gespräch mit einem Freund oder einer Freundin: Jeder erzählt abwechselnd, man lacht zusammen, ist „auf einer Wellenlänge“, keiner bestimmt über den anderen, keiner muss sich unterordnen, beide fühlen sich wohl – das ist der Maßstab für ein ausgeglichenes Machtverhältnis und den Augenhöhe-Status.

Voraussetzungen dafür müssen Sie allerdings ganz allein legen. Und dafür ist es wichtig, dass

  • Sie wissen, was Sie in die Beziehung einbringen und was Ihr Beitrag ist.
  • Sie Ihr ganz konkretes Ziel fest im Auge haben.
  • Sie unbedingten Respekt zeigen, sowohl sich selbst als auch Ihrem Gesprächspartner gegenüber.
  • Sie bereit sind, sowohl die Führung zu übernehmen, ohne den anderen mit der Dominanz zu erdrücken, als auch entspannt dem anderen die Führung zu überlassen, ohne sich restlos zu unterwerfen.

Achten Sie ab jetzt in jeder Kommunikation mit Ihrem Partner darauf, inwiefern sich das Tanz-Gefühl einstellt und Sie nicht nur geben, sondern auch nehmen.

Und wenn Sie das ein Mal geschafft haben, dann steht dem nichts mehr im Wege, dieses Erfolgserlebnis auch auf andere Situationen zu übertragen. Das gilt auch für Ihren Umgang mit Ihren Kollegen und Ihrem Chef.

So klappt es dann mit den ausgeglichenen Machtverhältnissen jenseits der Ohnmacht!


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