Kann eine Affäre eine Beziehung retten?

Betrug ist schmerzhaft. Aber kann aus der Krise etwas Neues entstehen? Paartherapeut Eric Hegmann bewertet die Chancen eines Neustarts.

Sollte der Fremdgehende seinen Seitensprung oder seine Affäre gestehen?

Grundsätzlich ist Ehrlichkeit immer der bessere Weg. Aber jeder kommt mit einer eigenen Prägung und Beziehungshistorie. In einer Langzeitbeziehung mag ein einmaliger Seitensprung nicht an den Grundfesten der jahrelang geschaffenen gemeinsamen Werte rütteln, zu Beginn einer Beziehung wird dies aber von Betrogenen meist anders bewertet. Wer viele Jahrzehnte sein Leben zusammen verbracht hat, ordnet einen Seitensprung nach meiner Erfahrung eher so ein, es wäre an der Zeit über sexuelle Wünsche und Fantasien zu sprechen. Beispielsweise um zu verhandeln, welche unerfüllt geblieben sind und wie man diese noch ausleben kann.

Eine über lange Zeit gelebte Affäre sollte grundsätzlich gestanden werden, denn eine Affäre bedeutet, dass die Beziehung nach meiner Erfahrung in der alten Form gescheitert ist. Das heißt nicht, dass ein Neuanfang unmöglich wäre, doch nach meiner Erfahrung ist das eher selten. Das hat zwei Gründe: Die Vertrauensbasis ist zerstört, der Betrogene will vielleicht, aber kann meist dem Betrüger nicht mehr trauen.

Wie kann ein Neustart nach einer Affäre gelingen?

Ehrlichkeit ist das Wichtigste und die Beantwortung der brennenden Fragen des Betrogenen, auch wenn das schmerzhaft für beide sein wird. Studien konnten zeigen, dass Vertrauen aufbauen dann besser möglich ist, wenn der Betrogene alle Antworten erhält, die er wünscht. Allerdings sind davon ausgeschlossen verletzende Details. „War er/sie besser als ich? Warum? Was genau habt ihr gemacht?“, sind nach meiner Erfahrung sehr verletzend und bringen das Paar meist nicht weiter. Anders sieht es aus mit Fragen wie: „An dem Abend, an dem wir uns gestritten haben, bist da noch zu ihr/ihm gefahren?“ 

Wer kann die Untreue des Partners leichter vergeben, Frauen oder Männer? 

Interessanterweise geben sich in aktuellen Umfragen Männer als verzeihender. Das kann aber auch daran liegen, dass sie sich im Gegenzug Freizügigkeit von ihren Partnerinnen erwarten. In allen Umfragen stehen Ehrlichkeit und Treue als Voraussetzungen für eine stabile Beziehung ganz oben. Fragt man Langzeitpaare, dann sagen diese, dass Lüge und Betrug schwerer wiegen als der eigentliche sexuelle Fehltritt. Verzeihen können hat auch viel mit lebens- und Beziehungserfahrung zu tun.

Aus der Erfahrung der Paarberatung und Paartherapie kann ich versichern: Viele Menschen betrügen, und sie lieben ihre Partner dennoch. Und es ist eben nicht nur die Beziehung gefährdet, die nicht gut läuft – auch eine Super-Beziehung birgt ein Risiko. Das liegt schon einfach daran, dass KEINE Beziehung durchwegs IMMER super läuft. Jede Partnerschaft muss auf Veränderungen von innen und außen reagieren. Diese Phasen sind oftmals holprig, manchmal sogar schmerzhaft. Die Welt wäre ein besserer Ort, würden alle Menschen sich ganz offen und ehrlich mit ihren Sorgen und Ängsten an ihre Liebsten wenden. Aber viele können das nicht, weil die Furcht vor Zurückweisung (häufig aufgrund negativer Erfahrung mit dem aktuellen, aber auch mit einem früheren Partner) noch größer als die ursprüngliche Sorge ist.


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