Aus der Sicht eines Narzissten – Ein Interview

Nun versprechen sich Partner, in einer Liebesbeziehung Fürsorge und Verantwortung füreinander zu übernehmen. Gemeinsame Kinder und finanzielle Abhängigkeit machen das unerlässlich. Muss also nicht ein Partner, der sich nicht schützen kann, geschützt werden? Sollte sich der Partner nicht so einfühlen in die geliebte Person, dass er bemerkt, wenn er Grenzen überschreitet und dies dann unterlassen?

Ein Partner, der sich nicht schützen kann, sollte meines Erachtens seinen eigenen Lebensentwurf überdenken, gleiches gilt übrigens auch für impulsive Menschen, die sich sehr schnell über „Kleinigkeiten“ aufregen oder Grenzen überschreiten. Wenn ich in eine Beziehung gehe, dann ist mein Partner für mich eine Bereicherung, also ein Gewinn, ein Bonus. Mein Partner aber ist niemand, der verantwortlich ist für meine bisherigen Erfahrungen. Er muss auch nicht mein Päckchen tragen. Schön wäre es, wenn mein Partner mir zuhört, Verständnis hat und dieses auch zeigt, gemeinsame Interessen und Ansichten mit mir teilt und begeisterungsfähig ist. Das sind alles Wünsche, die ich haben darf, die jeder haben darf. Dies aber zu erwarten oder vorauszusetzen, finde ich etwas schwierig in der Umsetzung. Die Gefahr, enttäuscht zu werden, ist dabei sehr groß.

Es gibt keine eierlegende Wollmilchsau. Und am Ende ist dann jeder für seine Gefühle und Gedanken selber verantwortlich. „Ich bin nicht mein Gefühl“, ist dabei ein sehr hilfreicher Ansatz. Derjenige, der sich über alles Mögliche aufregt, sollte einen Weg finden, sich angemessen zu regulieren und der mit dem großen Sicherheitsbedürfnis sollte anfangen, Verantwortung zu übernehmen, statt auf den Prinzen zu warten, der einen rettet und einem die „Altlasten“ abnimmt. Man kann anderen erst eine Heimat geben, wenn man selber eine Heimat hat.

Welche Partner findet ein Narzisst attraktiv? Und sind das auch die Partner, die ihn anziehend finden?

Ich selber habe kein bewusstes Beuteschema. Was ich aber weiß, ist, dass ich mit Sicherheit auch unbewusst (hier greift das Schlüssel-Schloss-Prinzip nach Jürg Willi) in erster Linie Frauen angezogen habe, die ähnlich selbstwertgestört waren wie ich. Ob die jetzt Borderline hatten oder dependent waren, weiß ich nicht. Ich habe mir jedenfalls nie einen Arztbrief zeigen lassen. Das Schlüssel-Schloss Prinzip sagt aus, dass man das bekommt, was man aussendet. Das heißt, wenn ich von meiner Persönlichkeit her eher unsicher bin, ziehe ich jemanden an, der genauso unsicher ist oder noch unsicherer. Susanne Hühn sagte in meinem Buch, dass sich bedürftige Menschen oft jemanden suchen (also unbewusst), der noch bedürftiger ist, um die eigene Bedürftigkeit nicht zu spüren. Sie machen sich also unbewusst abhängig. Frank Petermann definierte darüber hinaus den Begriff des „Expanded Self“, also eine Selbst-Erweiterung. Da greift dann der Glaubenssatz „Ich bin verantwortlich für das Wohlergehen meines Partners“ oder „Wenn es ihr gut geht, geht es mir auch gut“. So kann man sich sicherlich auch „Love Bombing“ erklären. Wenn ich die Partnerin mit genug Geschenken überhäufe und ihr immerzu sage, wie toll sie ist, dann wird es ihr gut gehen und ich brauche kein schlechtes Gewissen zu haben. Und wenn ich ehrlich bin, war ich mal genauso. Nur ich tat es tatsächlich nur, damit sie glücklich ist. Ich wollte meine Ex- Freundinnen alle glücklich und zufrieden machen.

Narzissten wird ein Empathie-Defizit vorgeworfen. Wie erleben Sie das bei sich?

Danke, dass Sie sagen, dass es ein Vorwurf ist. Ein Vorwurf ist ja im Grunde nur eine Meinung (demnach keine Tatsache), genauer gesagt eine „Du-Botschaft“ bzw. ein unerfülltes Bedürfnis vom Vorwurfmacher: „Ich fühle mich von dir nicht verstanden“ oder „Ich habe das Gefühl, du kannst nicht nachempfinden, was ich fühle“. Dahinter kann dann der Wunsch liegen, getröstet zu werden. Aber dieser Wunsch sollte auch kommuniziert werden. Und auch wenn jemand nicht getröstet werden möchte, sich also selber regulieren möchte, sollte das akzeptiert werden.


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