Ein hawaiianisches Vergebungsritual gegen Beziehungs-Stress? „Humbug!“ mag der vernunftbegabte Mensch denken. Doch was auf den ersten Blick so mystisch wirkt wie eine Geisterbeschwörung, ist im Grunde die Vorbereitung auf eine bessere Paar-Kommunikation
Eine Liebesbeziehung ist eine Sache, zu der immer zwei etwas beitragen. Darüber sind sich die Liebenden zu Beginn in der Regel einig. Dann geht etwas Zeit ins Land: Sie lernen sich deutlich realitätsnäher kennen, als Sie es erwartet haben. Immer öfter hängt der Haussegen schief. Und wenn es jetzt um den gemeinsamen Beitrag geht, will’s plötzlich keiner gewesen sein. Jeder fühlt sich im Recht. Es scheint doch an dem jeweils anderen zu liegen. Natürlich möchten Sie die Sache gemeinsam lösen. Doch über die wesentlichen Punkte können Sie mit Ihrem Partner nicht reden. Sie beide bringen momentan überhaupt kein vernünftiges Gespräch mehr zustande. Höchste Zeit, sich an etwas total Esoterisches zu wagen!
Das Vergebungsritual Ho’oponopono
Der Ursprung von Ho’oponopono ist ein traditionelles Verfahren der Hawaiianer, mit dem körperliche und geistige Krankheiten sowie sonstiger Unbill geheilt bzw. vorgebeugt werden sollen. Man ging davon aus, dass Krankheiten durch persönliches Fehlverhalten, Ärger oder sonst wie gearteten sozialen Stress verursacht werden. Das Übel kann unbewusst auf Familienmitglieder übergehen. Und wer sollte es dann besser richten, als die Familie? Insofern war das Ritual lange Zeit eine Art Familienkonferenz unter dem Motto „Wir rücken das zurecht“ – was in etwa auch der Übersetzung des hawaiianischen Begriffs entspricht. Doch Schuldzuweisung, Ahndung oder Wiedergutmachungszwang? Fehlanzeige! Stattdessen überlegen alle (!) Anwesenden, wie man selbst auf seine eigene Weise zu dem Problem beigetragen hat. Und zwar auch, wenn man sich als Leidtragender fühlt.
Das Gegenteil von Rechtfertigung
„Aber ich hab’ doch gar nichts gemacht!“ hat im Ho’oponopono nichts zu suchen. Statt angestrengt abzublocken, entspannen Sie sich in der schönen Allmachtsphantasie, dass alles irgendwie von Ihnen mitverursacht wird. So bietet das regelmäßig durchgeführte Ritual Raum, Schuld freimütig zu bekennen, Reue zu zeigen und Vergebung zu empfangen (aber auch zu gewähren). Praktisch: Moderne Versionen des Vergebungsrituals können Sie nicht nur ohne Heilpriester oder Familienmediator, sondern auch allein mit sich durchführen. Wann immer Sie und Ihr Partner also wieder aneinander geraten, Sie sich verärgert, verletzt, übergangen fühlen oder einfach verhindern wollen, dass Sie an unpassender Stelle in die Luft gehen, nehmen Sie sich aus dem Feld. Suchen Sie sich eine Ecke, in der Sie ungestört mit sich selber konferieren können, und denken oder sagen Sie dabei nacheinander:
1. Ich liebe Dich
Wäre ich mit jemand anderem, der wahlweise weniger streitsüchtig, phlegmatisch oder chronisch beleidigt ist, nicht besser dran? Oder mit jemandem, der mich zur Abwechslung mal wirklich unterstützt und motiviert in dem, was ich mir vorgenommen habe? Kurz erwäge ich eine Trennung zugunsten dieses namenlosen Jemands. Doch egal, welchen Partner ich mir suche, bei jedem werden sich andere Verfehlungen ergeben – von seiner, aber auch von meiner Seite. Statt die Probleme, die daraus in unserer Beziehung entstehen, reflexartig weg haben zu wollen, sollte ich diese einmal wirklich ansehen und im Kern erspüren (s.u.). Bewegung kann erst entstehen, wenn es möglich ist zu sagen: Ich liebe und respektiere Dich trotzdem. Und das sage ich am besten nicht nur dem Partner sondern auch zu mir selbst.
2. Es tut mir leid
Wofür bitte soll ich mich entschuldigen? Ich habe doch Recht! Aber will ich Recht haben oder glücklich sein? Also gehe ich für einen Moment davon aus, dass ich für alles, was ich erlebe, auch selbst verantwortlich bin. Ich konzentriere mich auf das Problem und lasse mir von meiner inneren Führung zeigen, was ich dazu beigetragen habe. Beispiele Streitsucht, Phlegma und beleidigte Leberwurst: Vielleicht bin ich eben Konflikten zu sehr aus dem Weg gegangen, habe den anderen mit meiner Dynamik gelähmt oder bin tatsächlich ausfallend geworden, weil mir etwas nicht passte. Und wie viel Kraft und Energie kann mein Partner wohl noch aufbringen, wenn ich mit meinen ambitionierten Vorhaben stets am Ende eines anstrengenden Wochentages zu Hochform auflaufe? Oder der berühmte wunde Punkt: Was hat mich geprägt, dass ich in bestimmten Situationen so und nicht anders auf meinen Partner reagiere? Woher kommen meine Erwartungen, die regelmäßig enttäuscht werden? Das hat dann mit ihm oder ihr im Grunde nichts zu tun. Schon gar nicht, wenn ich meine Erwartungen nicht offen geäußert habe. Doch, es stimmt. Es tut mir leid, dass wir durch meinen Beitrag in diese missliche Situation geraten sind.
3. Vergib mir
Jetzt, wo ich die Kröte meines eigenen Anteils geschluckt habe, perlt sie mir ganz von selbst über die Lippen: Die Bitte um Vergebung. Wie erleichternd! Spielt überhaupt keine Rolle, dass mein Partner nebenan auf der Couch noch wie Sauerampfer vor sich hin gärt. Vielleicht gehe ich mit meinen Erkenntnissen nachher versöhnlich auf ihn/sie zu. Aber schon jetzt, da ich mir selbst verzeihe, geht es mir besser. Und ich sehe wieder, dass es trotz Widrigkeiten viel Schönes in unserem Liebesleben gibt. Kann ich dann nicht auch meinem Gegenüber vergeben?
4. Ich danke Dir
Ich danke meinem Partner, dass wir bis hierhin gekommen sind. Ich danke auch dafür, was ich an ihm habe. Ich danke dem Problem, denn es hat mir endgültig gezeigt, dass ich meinen Partner nicht verändern kann. Veränderung fängt bei mir an. „Du zuerst!“ bringt uns beide nicht weiter. Ich danke dafür, dass Veränderung jetzt möglich ist und bin gespannt, wie uns das „zurecht rückt“.