Dann eskaliert es
„Ich vergesse nie, wie meine Schwiegermutter mich in dem Moment angesehen hat“, erinnert sich Pauline. „Ihr Blick war eiskalt. Diese ganze Wärme war weg. Sie hat dann erst einmal geschwiegen, und nach einer gefühlten Ewigkeit hat sie mich fertig gemacht, aber wie. Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass sie überhaupt auf diese Weise sprechen kann. Derart abfällig und hochnäsig. Vernichtend. Sie hat mir unterstellt, dass ich keine Ahnung hätte, wie man in ihren Kreisen eine standesgemäße Hochzeit feiert. Sie ist also gleich unter die Gürtellinie gegangen. Fritz hat mich verteidigt, doch ich muss sagen, dass er sich dabei nicht gerade überschlagen hat.
Ich war enttäuscht. Er hat sich nicht wirklich auf meine Seite geschlagen. Er faselte was von einem Kompromiss. Bitte, warum soll ich Kompromisse eingehen, was meine eigene Hochzeit angeht? Um es der Mutter meines zukünftigen Mannes rechtzumachen? Das geht ja gar nicht. Der Vater von Fritz war bei der Diskussion dabei. Er hat sich rausgehalten und als die Mutter ihn fragte, was er dazu meint, hat er geantwortet, dass er eine große Hochzeit auch schöner finden würde. Die Mutter hat triumphiert. Von warmherziger Mütterlichkeit war nichts mehr zu spüren.
Wir sind alle im Streit auseinander gegangen. Als wir zu Hause waren, Fritz und ich, habe ich zu ihm gesagt, dass ich keine Lust mehr habe, in solch eine Familie einzuheiraten. Dass ich keine Lust habe, mit einer derart überheblichen und bestimmenden Frau verwandt zu sein. Dass ich keine Lust habe auf einen Mann, der sich nicht von solch einer Person abgrenzt. Das waren harte Worte, Fritz hat mich noch nie so aufgebracht erlebt. Er und ich, wir haben uns an dem Abend wieder vertragen. Ich liebe diesen Mann ja. Ich will im Guten mit ihm sein, ich will ihn verstehen. Fritz hat mir erklärt, dass seine Mutter es gut meint, und dass sie sich manchmal im Ton vergreift und so weiter und so weiter. Es sei ihm durchaus klar, dass sie kompliziert ist und anstrengend.“
Sie ist die Meisterin der Manipulation
Trotz dieses positiven Gesprächs zwischen Pauline und Fritz fällt das Kind in den nächsten Wochen mehr und mehr in den Brunnen. Die Anlässe, wo die Mutter sich einmischt und aufdrängt, häufen sich. Es sind zum Teil völlig banale Dinge. Zum Beispiel besteht sie darauf, dem Paar einen neuen Staubsauger zu schenken, obwohl das Paar keinen neuen Staubsauger will. Oder sie bekommt mit, dass Fritz Stress im Büro hat und weiß ganz genau, was er tun muss, um die Lage zu ändern. Und sie nervt Fritz damit. Pauline beobachtet, dass ihre Schwiegermutter immer noch zuhört. Das kann sie, das tut sie, ihre Manipulationen sind subtil, sie kommen von „hinten“ und umso impertinenter.
Pauline erkennt, dass hier eine Art von Liebe an den Tag gelegt wird, die eigentlich nur eines will: Besitzen. Geben, um zu nehmen. Darauf hat Pauline schon immer allergisch reagiert. Eigentlich gibt es keine Begegnung mehr, wo es nicht zum Streit mit der Mutter kommt. Fritz gibt sich Mühe, für Pauline einzutreten. Der Vater hüllt sich in Schweigen, die Mutter gewinnt ihr Spiel. Pauline will wirklich nachvollziehen können, warum Fritz, den sie als souveränen Mann kennt, auf diese für sie unerträgliche Weise einknickt.