Gastautor Leon Reinhardts wollte in seinem Leben einige Dinge grundlegend verändern. Nur wie sollte er diesen Wunsch seiner Partnerin erklären?
Manchmal will ich alles hinschmeißen. Einfach ausbrechen. Raus aus dem Leben, das ich gerade führe, hinein in ein anderes. Das sind so Momente, in denen ich mir denke: Irgendetwas mache ich grundlegend falsch. Irgendwie läuft es gerade nicht so, wie ich es mir immer erträumt habe. Das ist ein diffuses Gefühl. Es ist ja nicht einmal so, dass alles schlecht läuft bei mir oder dass ich von großen Sorgen geplagt werde, die mich vor schier unüberwindliche Herausforderungen stellen. Vielmehr ist es eine Grundstimmung. Eine Ahnung, die mir zu verstehen gibt: Du verlebst gerade dein Leben. Hinzufügen könnte man noch: Du verlebst gerade dein wertvolles junges Leben. Und dann kommt mit einem Fanfarenstoß der Imperativ: Ändere was!
Ich weiß nicht, ob dieses Gefühl einen Namen hat. Manchmal denke ich, es ist doch nichts weiter als Unzufriedenheit. An anderen Tagen nenne ich es Sehnsucht. Denn das Leben bleibt nicht stehen. Immer wieder wollen neue Horizonte gesichtet und entdeckt werden. Doch verharrend kommt man nicht dorthin.
Einmal überkam mich so eine Gefühlswelle auch in einer Beziehung. Wir waren seit knapp drei Jahren zusammen. Das ist noch nicht allzu lange, aber lange genug, um an einer konkreten gemeinsamen Zukunft zu basteln. Bei uns war das zumindest so. Ich habe sie geliebt, und ich meine, auch mich selbst geliebt zu haben; aber mit den Monaten stellte ich fest, dass ich mein derzeitiges Leben nicht mehr liebte. Es fehlte mir nichts, das ich mir einfach hätte hinzuholen können – irgendwelche besonderen Erfahrungen etwa, ein tollerer Job oder ein höheres Einkommen usw.
Ich wollte mein Leben nicht ergänzen oder „verbessern“, sondern grundlegend verändern. Es kam mir gar nicht so sehr darauf an, dass dieses „andere Leben“ vielleicht ein besseres gewesen wäre, sondern darauf, dass meine Sehnsucht gestillt würde. Dazu gehörte etwa der konkrete Wunsch, einige Monate oder vielleicht auch Jahre auf den Kapverdischen Inseln, einer abgelegenen Inselgruppe im Atlantik, zu verbringen, um dort ein Buch zu schreiben und, so die Hoffnung, das schier Unmögliche anzugehen: ein Schleifen eben jener Charakterzüge, die ich an mir als veränderungswert erachtete. Ich glaube nämlich, dass ich dafür echte Distanz gebraucht hätte.