Weiter kämpfen oder Schluss machen? Wann ist der richtige Zeitpunkt, eine Beziehung aufzugeben? Unser Autor hat zu lange gewartet und damit mehr Schmerzen verursacht, als nötig gewesen wären
Wir hatten einige gute Jahre miteinander. Ich bereue sie nicht. Also, ich bereue nicht alle, denn das letzte Jahr, ganz ehrlich, das hätte es nicht gebraucht. Damit meine ich nicht, dass wir uns ständig gestritten hätten, das war es nicht. Aber im Nachhinein muss ich zugeben, ich hätte dir Schmerzen ersparen können, wäre ich nicht so lange stumm geblieben.
Meine Liebe zu dir endete nicht plötzlich. Das war ein langsamer, schleichender Prozess. Du warst eingesperrt in einem selbst gebauten Gefängnis aus familiären und beruflichen Verpflichtungen. Du hast gelitten. Abend für Abend bemühte ich mich, dir positives Feedback zu geben, dich aufzubauen und aus dem dunklen Ort, an dem du dich verstecken wolltest, ans Licht zu locken. Dort, wo es so viel zu entdecken gegeben hätte. Selbst, wenn ich dich überzeugen konnte, Freunde zu treffen, auszugehen, ein Konzert zu besuchen: Es dauerte kaum fünf Minuten, da brach der Frust und der Zorn wieder durch. Dein Klagen und Kämpfen endete nie, so schien es. Außer es gab Longdrinks. Alkohol vertrieb die Sorgen. “Wie hältst du es mit dieser Person aus?”, fragten mich so viele Menschen, dass ich begann, zu zweifeln. Anfangs konnte ich sagen, dass ich dich eben auch ganz anders erlebte, voller Lebensfreude, so unglaublich freundlich und zuvorkommend zu anderen, so begeisterungsfähig, aber irgendwann musste ich zugeben, diese Person hatte keinen Freigang mehr. Du hattest sie weggesperrt.
Ich hätte dich früher verlassen sollen, um dich freizugeben
Du hast es mir nicht leicht gemacht, nein zu sagen. “Du bist mein einziger Halt”, hast du immer und immer wieder betont. Natürlich wagte ich nicht, mich zurückzuziehen. Ich wollte dich nicht an diesen dunklen Ort verlieren, der mich ängstigte, den du jedoch immer seltener verlassen mochtest.