Warum ewig gleiche Ratschläge die Liebe auch nicht haltbarer machen – oder es zumindest nicht sollten
Das Internet, Frauenzeitschriften, die Köpfe von halbseidenen oder auch fähigen Psychologen, Psychotherapeuten, Lebensberatern, Wahrsagerinnen – alle sind voll von den drei, fünf, 15, 20 Tipps, um die Beziehung zu retten. Zu verbessern. Aufleben zu lassen. Ganz ehrlich? Das ist mir echt zu anstrengend.
Kein Hoch auf “12 garantiert funktionierende Tipps, die Partnerschaft zu kitten”
Wahrscheinlich auch den meisten Männern, die sich niemals durch solche Ratschläge quälen würden und lieber endlose Vergleichsartikel über neue Smartphone-Generationen studieren oder ein Doppelhaus aus den 50er Jahren allein kernsanieren. Und da liegt auch schon das Problem: Nützt wohl nicht so viel, wenn sich nur 50% einer Beziehung mit retten, verbessern und aufleben beschäftigen, während die andere Hälfte… Siehe oben.
Ist ja auch kein Wunder, wenn man sich diese Tipps mal auf der Zunge zergehen lässt – zum Beispiel den Klassiker
„Sex nach Terminkalender“: Oh yeah, baby. Aber warte, erst in zehn Minuten.
Ich weiß ja nicht. Dann schon lieber eine Putzfrau anschaffen, um sich immerhin bei einem streitanfälligen Thema nicht mehr ständig in den Haaren zu liegen. Wie dem auch sei – die meisten gut gemeinten Tipps werden aus dem Bauch heraus gegeben, stammen aus eigener Erfahrung oder sind halt einfach in jeder ordentlichen Ratgeberkolumne dabei. Aus Gewohnheit. Weil sonst einfach etwas fehlt.
Gut erforscht ist halb gewonnen?
Letzte Chance also für die Paarforschung! Grundsätzlich vertraue ich persönlich eher Leuten, die nicht nur aus ihrer eigenen kleinen Welt berichten, sondern auch die ein oder andere zusätzliche Sichtweise mit einbeziehen. Der amerikanische Paarforscher John Gottmann ist so ein Fall – der hat in den 70er Jahren mit seinen Langzeitstudien zum Thema Beziehung begonnen und dabei über 3.000 Paare erforscht. Der gute Mann hat daraus drei (Gott (!) sei Dank, nur drei!) Tipps zur Stärkung der Beziehung gemacht. Die klingen so einfach wie plausibel: Interesse am Partner zeigen (und z.B. seinem Job, seinen Gedanken, seinen Gefühlen und Hoffnungen), fair streiten (die klassischen „Ich“- statt „Du-Botschaften“) und im Falle von Auseinandersetzungen sich wieder vertragen. Oder wie Gottman es nennt, die Beziehung wieder „reparieren“.
Diese drei Tipps unterschreibe ich ausnahmslos. Natürlich. Aber trotz allem kann ich mir nicht helfen – wenn ich mich dazu zwingen muss, Interesse an meinem Partner zu zeigen, wenn es mir schwerfällt, im Streit nicht mit wüsten Vorwürfen um mich zu werfen oder wenn ich Nähe vermisse und es mich anstrengt, nach einer Auseinandersetzung wieder Frieden zu schließen – ist es dann nicht schon fast zu spät? Wenn mir diese Tipps auf einmal die Augen öffnen und es mir plötzlich glasklar wird, dass sie genau das beschreiben, was meine Beziehung so schwierig macht
– ist der Zug dann nicht schon längst abgefahren?
Klar, jeder hat mal einen schlechten Tag und möchte manchmal alle Mitmenschen wie sie da stehen nacheinander an die Wand klatschen. Kann schon passieren, dass auch der Partner zwischenzeitlich zum Hassobjekt wird. Aber doch hoffentlich nur kurz. Und dann können einen solche netten und ausnahmslos gut gemeinten Hinweise natürlich wieder auf den richtigen Weg zurückbringen, wenn man sich kurz zuvor aus lauter Wut verirrt hat. Einen erinnern, dass eine Beziehung eigentlich großartig ist (oder sein sollte). Im Alltagstrott vergisst man schlicht gern mal, dass eine kleine Liebesbotschaft am Kühlschrank oder ein spontanes Überraschungsdate beim Lieblingsitaliener Wunder wirken können. Aber wer solche Ratschläge absolut bahnbrechend findet, führt die falsche Beziehung. Meiner Meinung nach.