Hilfe, mein Partner “gendert” auf einmal alles

Emma (22) und Philip (23) wollen beide die Welt verbessern, sie studieren engagiert Politologie und sind aktiv bei den Grünen. Das Paar ist in jeder Hinsicht ein Herz und eine Seele. Und ideologisch passt kein Blatt zwischen die zwei, bis jetzt. Denn Emma fängt plötzlich an, alles zu gendern …

Es versteht sich von selbst, dass Emma für feministische Ziele kämpft und sich leidenschaftlich dafür einsetzt, dass Frauen die gleichen Rechte haben wie Männer. Philip zieht mit ihr an einem Strang. Allerdings sieht er nicht ein, dass die angestrebte Gleichberechtigung in Form von Gendern in die Sprache einziehen soll. Er liebt Literatur, er studiert Literaturwissenschaft im Nebenfach, ist selbst literarisch aktiv und verfasst Kurzgeschichten. Er hat auch schon einen Band mit Geschichten veröffentlicht. Philip erträgt es nicht, dass die deutsche Sprache unter die Käseglocke des politisch korrekten Schreibens und Sprechens gezerrt wird. Das ist für ihn ein ästhetisches Verbrechen, da hört sein politisches Engagement auf.

Emma dagegen springt immer mehr auf dieses Sprachpferd und nervt Philip mit ihrem ständigen “innen”. Er kann gerade noch akzeptieren, dass die Form in die Schriftsprache Einzug hält. Aber bitte nicht in die gesprochene Sprache. Er zuckt richtig zusammen, wenn er sich mit Emma unterhält und sie ständig gendert und das “innen” fallen lässt. Philip ist schon einmal abrupt von einem gemeinsamen Essen aufgestanden, hat Emma angeschrien und ihr gesagt, dass er den Quatsch keine Minute länger mitmacht! Dann ist er für ein paar Stunden im Wald verschwunden.

Philips Philosophie gegen das Gendern

Wenn er nicht schreit, macht er sich immer häufiger über Emma lustig, äfft sie zum Beispiel nach. Sie begreift das als Verrat an ihren gemeinsamen Idealen. Philip sagt, dass sie meinetwegen so sprechen kann, wenn es nicht anders geht, nur ihn möge sie bitte damit in Ruhe lassen und in seiner Gegenwart “Gender-Sprech” meiden. Er werde vor allem deshalb so aggressiv, weil sie ihm seine Meinung aufzwänge, das sei fast noch das größere Problem als das mit der Sprachverhunzung.

Er beobachte generell und nun auch an seiner Freundin, dass die politische Reise auf eine erschreckende Weise danach gehe, nur eine einzige Meinung, einen einzigen Diskurs, wie er sagt, gelten zu lassen. Zudem habe er das Gefühl, dass Emma sich gegen ihn wendet, weil er schlicht und ergreifend männlich sei. All das verstoße gegen sein Verständnis von Freiheit, und die Freiheit sei sein Hauptanliegen, was seine politischen Ambitionen angeht. Jeder nach seiner Fasson. Und jede nach ihrer Fasson. Das ist seine Philosophie. 

“Ich muss schon sagen, dass ich mir nie hätte vorstellen können, dass mir Emma mal derart auf die Nerven gehen könnte”, sagt Philip. “Als das anfing mit dem Gendern und ich merkte, wie grauenhaft ich das finde, wenn Emma so spricht, war mein erster Gedanke, ob es noch eine andere Ursache für meine Gereiztheit gibt. Ob es zwischen Emma und mir an einer Stelle hakt, die ich verdränge. Ob diese Gender-Sprech-Geschichte also eine Stellvertreter-Funktion hat. Denn mich macht das wirklich rasend. Ich kann bei dem Gequatsche nicht im Raum bleiben mit meiner Freundin. Ich habe sie ja auch schon angeschrien. Emma kann und soll auf diese Weise reden, ich mache ihr keine Vorschriften. Sie soll frei sein. Nur wenn ich dabei bin, soll sie davon Abstand nehmen. Das war eine Bitte, das ist eine Bitte.


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