Beata Korioth vertritt die provokante Ansicht, dass es Stress gar nicht wirklich gebe: „Wer Stress sagt, meint Angst!“ Ein Auszug aus ihrem Buch „Goodbye Stress“
In unseren Breiten sind wir nicht besonders geübt darin, unsere Gedanken, Emotionen und Gefühle zu identifizieren. Wir haben ein Knäuel von irgendwas und laufen damit durchs Leben. Ein erster Schritt zur Lösung ist, die Sache strukturierter zu betrachten. Die Differenzierung deutet auf einen Ausgang aus der kritischen Situation hin. Durch die Tür musst du dann allein gehen. Wer seine Gedanken, Emotionen und Gefühle benennen und trennen kann, hat Distanz zu seinem Erleben entwickelt. Du hast bereits die Perspektive verändert, schaust eher von außen drauf, als mittendrin verklebt und verwirrt zu sein. So trainierst du, mit Emotionen und Gefühlen umzugehen, auch wenn du verwirrt, verärgert oder aufgeregt bist.
Wir verbinden Emotionen häufig mental mit alten Geschichten. Dabei ist die Geschichte schon lange vorbei und alles, was geblieben ist, sind Spuren einer Erfahrung: Druck und Enge. Wir erleben Emotionen immer dann, wenn wir uns nicht mehr im Gleichgewicht befinden. Sie haben eine Schwingung, sie können sich sehr schwer oder leicht anfühlen – in der Musik würden wir sagen, sie haben einen bestimmten Ton und erzeugen eine bestimmte Frequenz, die vom Gegenüber wahrgenommen werden kann. Diese Schwingungen sind eine Kommunikationsmöglichkeit, die Top-Musiker, Künstler, aber auch viele Politiker, motivierende Führungskräfte, Menschen, die gern in der Öffentlichkeit stehen, in ihrem Wirken beherrschen, ja sie geradezu suchen und wie eine Klaviatur rauf und runter spielen können. Sie schaffen es, bestimmte Emotionen in anderen Menschen auszulösen. Wenn wir uns nicht zum Spielball anderer machen möchten, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns mit unseren Emotionen auseinanderzusetzen. Nur so können wir unser Gleichgewicht und unsere Souveränität herstellen.
Solange du noch voller Druck, Wut, Trauer oder Angst bist, bist du zu keiner klaren Einschätzung der Situation fähig. Wer eine Emotion wie Angst, Wut oder Trauer nicht haben will, sagt praktisch: »Ich liebe den Regenbogen, aber die Farbe Rot möchte ich nicht! Alles Rote in der Welt sollte verschwinden!« Die Emotion ist völlig neutral, sie ist nicht das Problem. Unsere Wertung, die Story, die wir der Emotion anheften – schlimm, sehr, sehr schlimm! – das ist der Knackpunkt.