In der Schule war Gehorsam ebenfalls an der Tagesordnung. Wer laut und meinungsstark war, flog aus dem Unterricht, eckte an, wurde zum Außenseiter abgestempelt. Die guten Noten waren den braven Schülern vorbehalten, die sich fleißig im System Schule einfanden und nach den Regeln der Lehrer spielten. „Kind, wenn etwas aus dir werden soll, dann musst du dich einfügen.“ Ein Spruch, den ich damals von so manchem Tutor zu hören bekam. Wohlgemerkt, weil ich den Mund aufmachte und mich für meine Mitschüler einsetzte, wenn sie wieder einmal von einem Lehrer untergebuttert oder bloßgestellt wurden. Wenn sie auf dem Pausenhof gehänselt wurden. Nicht, weil ich nachts alle Mülleimer angezündet hätte, oder so.
Zähme die Bitch in dir
Und auch heute, als 30-jährige Frau, wird mir immer wieder gesagt und vorgelebt, dass wir uns besser unterordnen, wenn wir erfolgreich durchs Leben gehen wollen. Dass wir am besten gute Miene zum bösen Spiel machen, wenn wir keinen Ärger haben wollen. „Zähme die Bitch in dir“, habe ich neulich in einer Frauenzeitschrift gelesen. Zähme die Bitch in dir. Ein Satz, den man sich ruhig ein, zwei Mal über die Zunge gehen lassen sollte.
Zuerst dachte ich noch voller Hoffnung, dass der Artikel möglicherweise darauf abzielt, seinen Leserinnen mit auf den Weg zu geben, ein bisschen umsichtiger durchs Leben zu gehen. Immer mal wieder nach links und rechts zu schauen, ob man mit seinem Handeln Menschen verletzt, zu Unrecht verurteilt, schlecht behandelt, ausgrenzt. Trotz der unmöglichen Überschrift hätte ich einen solchen Artikel-Inhalt mit einem grundsätzlichen Nicken quittiert. Jede/r von uns sollte schließlich in regelmäßigen Abständen – am besten täglich – in sich hineinhören und überprüfen, ob man seinen Mitmenschen gegenüber cool oder ein absolutes Arschloch war. Manchmal passiert so etwas nämlich leider ganz nebenbei, unbemerkt. Davon ist niemand frei, auch ich nicht.