Einsam zu zweit

Sehr hilflos und dadurch allein gelassen, fühlte ich mich aber vor allem, als mein Partner sich gegen Ende der Beziehung mehr und mehr zurückzog. Wenn er nach Hause kam, setzte er sich in sein Arbeits- oder unser Schlafzimmer um etwas für die Uni zu tun oder Computer zu spielen. Wir redeten kaum noch miteinander, unternahmen seltener Dinge gemeinsam und er blieb immer häufiger an den Wochenenden bei seinen Eltern. Ich verstand überhaupt nicht, warum er sich plötzlich so verhielt und startete mehrere Anläufe mit ihm darüber zu sprechen, die er alle mit einem “Es ist alles okay” abspeiste.

Und so stand ich, bildlich gesprochen, in einer riesigen Menschenmenge. Aus vollstem Halse schreiend, doch niemand hörte mich. Ich fühlte mich in unserer Wohnung in Gegenwart meines Partners unheimlich einsam. Verstärkt wurde dieses Gefühl noch, als irgendwann der Respekt voreinander und die einst vorhandene Nähe flöten gingen. Die Streitereien wurden lauter, verbal und teils physisch verletzend und verloren an Gehalt. Damit meine ich, dass die Gründe oder Auslöser für den jeweiligen Streit immer banaler wurden. Ich hatte das Gefühl, wir stritten sogar manchmal ohne Grund. Aber besonders verloren kam ich mir vor, weil ich an allem schuld zu sein schien und nicht wusste, weshalb. Das alles führte irgendwann dazu, dass ich während der Straßenbahnfahrt von der Uni nach Hause fast täglich Gedanken hatte wie “Eigentlich will ich gar nicht ‘nach Hause’, ich bin dort eh nicht mehr willkommen.” oder “Ich habe Angst, die gemeinsame Wohnung zu betreten.”

Wenige Monate nachdem dieser Zustand seinen Höhepunkt erreicht hatte, trennten wir uns. Es kam für uns beide nicht überraschend, da diese Situation des Nebeneinanderherlebens schon viel zu lang bestanden hatte.

Rückblickend kann ich sagen, dass ich mich natürlich früher hätte trennen müssen, da keine konstruktiven Gespräche über die Situation möglich waren und sie sich somit auch nicht hätte ändern können. Aber manchmal macht Liebe eben blind …