Über 100.000 Menschen haben den Vortrag „Fremdgehen – Eine Affäre aus unterschiedlichen Perspektiven“ von Affären-Manager und Liebes-Coach Melanie Mittermaier gesehen. beziehungsweise wollte von ihr wissen: Kann man Fremdgehen entschuldigen?
Eric Hegmann: Sie arbeiten mit Menschen, die Affären erleben: mit dem Betrüger, dem Betrogenen oder der Affäre selbst. Sie kennen also alle drei Seiten. Für welche haben Sie meisten Sympathien?
Melanie Mittermaier: Am meisten liegen mir die Menschen am Herzen, die sich fremdverliebt haben und/oder in eine Affäre gerutscht sind. Die Betrogenen bekommen von allen Seiten Verständnis und Mitgefühl. Doch die „bösen Betrüger/innen“ versucht niemand zu verstehen. Ich schon und für diese Menschen möchte ich eine Stimme sein.
Das mag ein Widerspruch sein, um mit Betrogenen arbeiten zu können. Jedoch genau diese Haltung ist für meine Paare extrem hilfreich, um eine Affäre schnell und liebevoll verarbeiten zu können. Die Opfer-Haltung hilft niemandem. Verurteilungen auch nicht.
Wer betrogen wird, zeigt häufig Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Die Folgen sind oft extreme Ausprägungen von Verlust- und Bindungsangst, die den Betrogenen ohne Behandlung möglicherweise lebenslang hindern, eine neue Partnerschaft einzugehen. Lässt sich das entschuldigen?
Wenn sich Untreue so heftig auswirkt, braucht es professionelle Hilfe, viel Geduld und im Idealfall den Rückhalt des Partners, um das verarbeiten zu können. Eine Beziehung einzugehen, bedeutet immer auch ein Risiko, verletzt zu werden. Leben bedeutet, gute und schlechte Erfahrungen zu machen. Das werden wir nicht verhindern. Wir können nur lernen, damit umzugehen. Mir geht es nicht darum, irgendein Verhalten zu entschuldigen. Alles, was wir tun, hat Gründe und Konsequenzen. Wir dürfen anfangen zu verstehen, warum das passiert ist, die Verantwortung übernehmen und nach Lösungen suchen. Alle Beteiligten.
Damit meine ich nicht, dass jemand, der betrogen wurde, auch noch selbst „Schuld” sein soll. Jede Beziehungs-Krise ist eine GEMEINSAME Krise und die Opfer-Täter-Trennung macht es nur noch schlimmer. Fremdgehen dürfen wir immer im Gesamtkontext betrachten und keine vorschnellen Schlüsse ziehen, sondern behutsam Ursachenforschung betreiben und daraus neue Erkenntnisse gewinnen, die dann in die Partnerschaft einfließen können.
Untreue ist statistisch weniger ein Vielleicht als etwas, das Paare unbedingt einplanen sollten. Je nach Umfrage sagen bis zu 50 Prozent der Deutschen, sie haben in ihrem Leben mindestens einmal in einer Beziehung ihren Partner betrogen. Zu hoffen, in der eigenen Beziehung würde es Untreue nie geben, ist danach beinahe fahrlässig. Wie kann man sich als Paar mit diesem Thema beschäftigen – bevor es passiert?
Sich offen damit auseinander setzen, Bücher oder Blogs zum Thema lesen und anders darüber reden. Anstatt dem Partner zu sagen: „Solltest du mich betrügen ist es sofort AUS mit uns!“, können Paare in einen echten Dialog gehen und Fragen stellen wie: „Wurdest du schon mal betrogen? Gab es in deiner Familie Untreue? Wie ist es dir damit ergangen? Hast du manchmal Lust auf Sex mit einer anderen Person? Wie wollen wir damit umgehen, falls sich einer von uns fremdverliebt? Was können wir tun, wenn einer von uns – aus welchen Gründen auch immer – fremdgehen sollte? Wovor hast du Angst? Können wir wirklich über alles reden?“