Warum nicht der Lauteste in der Partnerschaft den Ton angibt, sondern derjenige, der Respekt und Standing aufzubieten hat, erklärt Sichtbarkeits-Coach Natalie Schnack
Kennen Sie den Spruch: „Wer am lautesten schreit, hat Recht“? Was halten Sie davon? Stimmen Sie zu oder sehen Sie es ganz anders?
Ich bin mir sicher, dass nicht die Lautstärke, sondern die innere Haltung darüber entscheidet, ob wir in der Lage sind, unseren Partner zu überzeugen. Wenn Sie sich auf Augenhöhe mit ihm oder ihr fühlen, dann werden Sie auch ganz leise Ihre Meinung vertreten können. Ganz egal, was uns solche Redewendungen weiß machen wollen.
Natürlich ist ein respektvoller Umgang die Ausgangslage dafür, dass wir uns selbst und unserem Partner auf Augenhöhe begegnen können. Doch was ist genau gemeint?
Respekt ist die innere Einstellung gegenüber den Menschen auf Basis eigener Werte und Glaubenssätze und drückt sich in unterschiedlichen Formen aus:
- Achtung und Höflichkeit
- Anerkennung der Gleichwertigkeit
- Autorität aufgrund der Fähigkeiten und Leistungen
- Toleranz der Besonderheiten und Eigenarten
Echte Augenhöhe
Und da sieht man schon, dass echte Augenhöhe nur dann erreicht werden kann, wenn in beide Richtungen gespielt wird: Als erstes Respekt vor dem Ich, der sich im eigenen Selbstwertgefühl äußert, und als zweites Respekt vor dem Du, der anderen entgegengebracht wird.
Nun ist es leider so, dass gerade die Leisen unter uns auch die sind, die sich meistens zurücknehmen und das Spielfeld lieber den Lauten überlassen. Das heißt, sie machen sich oft kleiner als ihr Partner. Weil sie es nicht anders gelernt haben. Oder weil sie schlicht ihre Ruhe haben wollen.
Bei aller Liebe zur Harmonie: Wo respektmäßig kein Gleichgewicht ist, werden Sie es schwer haben, gegen Ihren Partner anzukommen. Ganz besonders dann, wenn er Sie mit seiner Lautstärke übertrumpfen kann.
Und da kommen wir zur zweiten Zutat der Überzeugungskunst: Ihr Standing, oder zu Deutsch, Ihre Standfestigkeit.
Ich spiele seit Jahren Improvisationstheater. Beim Spielen lernt man sehr eindrücklich, wie menschliche Kommunikation funktioniert. Im Improvisationstheater spricht man zum Beispiel vom Behaupten, wenn es darum geht, den Mut zu haben, eigene Ideen in die Szene einzubringen und konsequent zu verfolgen. Ganz viele, die es nicht gelernt haben, knicken da schnell ein und ärgern sich nachher, dass sie immer wieder den Kürzeren ziehen und ihre Ideen nie angenommen werden.
Natürlich ist man auf die Mitspieler angewiesen, denn wenn diese die Idee nicht akzeptieren, nicht unterstützen oder sogar sabotieren, verpufft die Idee im „Niemandsland“, egal wie toll sie war. In diesem Punkt neigen die Menschen, die gegen die Lauteren nicht durchkommen, dazu, die anderen dafür verantwortlich zu machen. Nach dem Motto:
„Mir hört ja sowieso keiner zu.“
Vielleicht kennen Sie das auch. Und bestimmt nicht nur aus Ihrer eigenen Beziehung. Haben Sie vielleicht gerade ein Déjà-vu, wenn Sie an Ihre Erfahrungen aus Meetings oder Gesprächen mit Kollegen oder Ihrem Vorgesetzten denken?
Ich schlage Ihnen vor, eine andere Richtung einzuschlagen, wenn Sie das künftig ändern wollen und sich mehr Gehör verschaffen wollen.
Überlegen Sie mal: Wann überzeugt Sie jemand?
Normalerweise finden wir nämlich die Menschen überzeugend, die für ihre Sache einstehen, ihre Ziele verfolgen und dabei auf Kurs bleiben. Kurzum, es geht um die Fähigkeit, die eigene Meinung zu behaupten. Ich spreche hier ganz bewusst nicht von Dominanz. Am lautesten zu schreien ist nämlich der Versuch, den Partner zu dominieren. Davon halte ich nichts. Das ist gewiss nicht der Weg, den ich Ihnen hier nahelegen will.
Machen Sie sich lieber klar, was Ihnen wichtig ist, welche Ziele Sie erreichen wollen. Denn es geht vielmehr darum, die anderen von der eigenen Idee oder Meinung zu überzeugen, indem man auf respektvolle Art die eigenen Argumente darlegt, und dabei für sich und die eigenen Ziele einsteht und sich nicht vom Weg abdrängen lässt. Doch das klappt nur dann, wenn Sie auch bereit sind, nicht immer nur Harmonie zu leben. Sagen Sie bei Unterbrechung: „Moment, ich möchte das zu Ende aussprechen“. Das gehört zu eben diesem Standing und zum Überzeugend sein dazu.
Ich weiß, es mag ungewohnt sein und etwas Angst einflößen. Denn der Partner klatscht nicht gerade Applaus, wenn Sie plötzlich andere Seiten aufziehen. Doch wenn Sie sich selbst gegenüber Respekt zeigen und auf einer Augenhöhe erlebt werden wollen, werden Sie nicht drum herum kommen. Wenn Sie also künftig auf zwei Beinen stehen: Standing und Respekt – und zwar in erster Linie Respekt für Sie selbst und Ihre Ideen – , dann können Sie Ihren Partner, Ihre Kollegen, Ihren Vorgesetzten überzeugen. Und zwar auch auf die leise Art.
Denn wer herumschreit, hat noch lange nicht Recht!