Wahre Fälle einer New Yorker Sextherapeutin

Die amerikanische Sexualtherapeutin Brandy Dunn beleuchtet die Schattenseiten der männlichen Sexualität. Wir haben mit ihr ein Interview geführt

Brandy Dunn hat einen Traum: eine eigene Privatpraxis in Manhattan. Gerade hat sie eine spezielle Ausbildung als Sexualtherapeutin abgeschlossen und ist hoch motiviert. Es würde vielleicht etwas dauern, einen eigenen Patientenstamm aufzubauen. Doch gab es nicht genügend Frauen, die sich wegen schwindenden sexuellen Verlangens professionelle Hilfe suchten? Und tatsächlich: Die Patienten sollten schon bald vor ihrer Praxis Schlange stehen. Aber fast alle waren Männer.

In „Die Männer auf meiner Couch“ sammelt Brandy Dunn gut ein Duzend eindrücklicher Fallgeschichten, die alle um das Thema der männlichen Sexualität kreisen. Da ist zum Beispiel David, ein chronischer Fremdgänger, der seine Therapeutin gleich in der ersten Sitzung mit einer abgründigen Feststellung konfrontiert: „Ich glaube, ich weiß überhaupt nicht, was Liebe ist.“ Und da ist Casey, ein Intellektueller, der Hardcore-Pornos seiner attraktiven Freundin vorzieht und nicht weiß, wie er sich von seiner Sucht befreien kann. „Ich sitze oben in meinem Büro und masturbiere vor dem Computer, während Amy, eine reale Frau, die ich noch dazu liebe, unten auf mich wartet…“ So verschieden alle männlichen Patienten und ihre Lebensgeschichten auch sein mögen – Dunn deckt Gemeinsamkeiten auf und ermöglicht dem Leser gerade hierdurch ungeahnte Identifikationsmöglichkeiten.

Schnell wird man von den pointierten Fallgeschichten in den Bann gezogen. Dabei reflektiert die Autorin vor dem Hintergrund ihrer Gespräche über Sex und Sexualität, Liebe und Partnerschaft auch ausführlich ihre eigene Liebesbeziehung zu Rami, einem dreizehn Jahre älteren Geschäftsmann (hier lesen Sie einen Auszug aus „Die Männer auf meiner Couch“).

Zwar stellen sexuelle Störungen wie erektile Dysfunktion oder zwanghaftes Fremdgehen immer den Ausgang der Gespräche zwischen Dunn und ihren männlichen Patienten dar. Trotzdem versteht es die Therapeutin, die Aufmerksamkeit schnell auf die wirklichen, tiefergehenden Probleme zu lenken – unerfüllte Bedürfnisse, geheime Wünsche und frühe Kränkungen. Gleichzeitig ist ihr Buch aber weit mehr: Eine außergewöhnliche Abhandlung über die Liebe als gemeinsamem Fluchtpunkt des menschlichen Strebens, den zu erreichen wir uns alle, gleich, ob Mann oder Frau, so sehr sehnen.

„Die Männer auf meiner Couch“ beschenkt uns mit originellen Einsichten, ohne dabei ein simpler Ratgeber mit einer scheinbaren „Patentlösung“ für sexuelle Störungen zu sein. Schlicht und einfach: lesenswert!

Wir haben die Autorin, die inzwischen in Los Angeles lebt und geheiratet hat, interviewt.

Liebe Brandy Engler, „Die Männer auf meiner Couch” beschreibt die schwierige männliche Suche nach Liebe und hiermit verbundene – mehr oder weniger – neurotische Verirrungen und Verwirrungen. Was das Hauptthema Ihres Buches angeht, die Liebe: Was haben Sie persönlich in den ersten Monaten und Jahren der Behandlung von (und intimen Gesprächen mit) männlichen Patienten über die Liebe gelernt? Hat sich Ihr Verständnis von Liebe verändert?

Anfänglich war ich eine naive Romantikerin und wollte das ein wenig entwirren, indem ich mich verstärkt mit meiner eigenen Beziehung [zu Rami] auseinandersetzte. Ich musste lernen, dass Liebe nicht bloß ein Gefühl ist, sondern vielmehr eine Fähigkeit. Sie ist eine „Tätigkeit“, die sehr schwierig ist. Sie verlangt, dass wir geben, dass wir uns in Geduld und Frustrationstoleranz üben, dass wir Akzeptanz für die Eigenarten des anderen aufbringen, dass wir neugierig sind anstatt immer gleich zu werten, dass wir damit aufhören, unseren Partner als unseren Retter, Entertainer oder Versorger zu betrachten. Und so vieles mehr… Nichts davon ist sexy.

In „Die Männer auf meiner Couch” beginnt die Suche nach dieser Liebe mit der Geschichte von David, einem Mann, der Beziehungen zu Frauen hauptsächlich aus der Motivation heraus einging, sein eigenes Ego zu vergrößern. David stellte mir damals eine aufrichtige, einfache Frage: Habe ich die Fähigkeit, zu lieben? Ich fand diese Frage einfach brillant. Und ich musste sie auch für mich selbst beantworten.

Durch meine Beziehung zu meinen Patienten und zu Rami musste ich den „Akt des Liebens“ selber einüben und auch lernen, mich verletzlich zu zeigen und andere wertzuschätzen, nicht bloß mich selbst. Schließlich habe ich eine Art „liebende Güte“ entwickelt, die vielleicht nicht exakt dasselbe ist wie jene erhöhende Erfahrung, wenn die eigene Wunschvorstellung von einem Ritter in schimmernder Rüstung oder die der fleischlichen Lust der Chemie befriedigt wird, aber dafür ein Gefühl des Friedens, der Wärme und der Freude darstellte, die nun aus mir hervorsprudelte und mich zu einer Erzeugerin von Liebe werden ließ anstatt eine bloße Konsumentin derselben zu sein. Ich wurde eine bessere Therapeutin und bin heute auch eine bessere Ehefrau.

In „Die Männer auf meiner Couch” scheinen Sie eine qualifizierte Idee der romantischen Liebe zu verteidigen – teilweise massivem Widerstand und zynischer Bestreitung zum Trotz. Wie kommt es, dass Sie derart optimistisch bezüglich der romantischen Liebe sind?

Die Liebe, die ich oben beschrieben habe, stellt gewissermaßen die Basis dar. Sie ist notwendig für nachhaltige Liebe. Aber man kann ja immer noch die Poesie der Romantik auf ihr errichten. Romantik ist kunstvolles Leben, Lebenskunst. Sie bringt Lebendigkeit. Ich denke, ich will lieber diese Lebendigkeit fühlen, als zynisch zu sein. Und Menschen durchstehen ja so manchen Schmerz.

Welche Rolle spielt eine gute und glückliche Partnerschaft für unsere Gesundheit? Und haben Sie einen Tipp, insbesondere für Männer, wie wir eine solche fördern und pflegen können?

Wissenschaftler haben auf jeden Fall gezeigt, dass Beziehungen einen Einfluss auf Körper und Gehirn haben, auch wenn ich hier nicht alle medizinischen Details angeben kann. Eine einfache Übung ist, sich dem eigenen Denken zuzuwenden. Denken Sie an Ihren Partner bewusst aus einer Haltung der Dankbarkeit heraus und gehen Sie innerlich alle seine (oder ihre) positiven Qualitäten durch. Beobachten Sie dann, wie sich dies auf Ihre eigene Stimmung auswirkt.

Wem empfehlen Sie eine Sextherapie? Und wie würden Sie zwischen „ungewöhnlichen Neigungen“ und voll ausgeprägten sexuellen Störungen unterscheiden?

Wenn Ihnen Ihr Sexleben Leid bereitet, probieren Sie es doch einmal mit einer Sextherapie. Auf diese Weise bestimmen Sie selber, ob es ein Problem gibt – und nicht alleine der Sexualtherapeut. Manchmal wenn sich unsere psychischen Altlasten mit unserer Sexualität verknoten und wir sie gewissermaßen durch Sex „ausagieren“ müssen, kann dies eine starre und zwanghafte Qualität annehmen, die weder uns selbst noch unseren Partner befriedigt. Bisweilen fühlen wir uns dann einfach sehr von ihm (oder ihr) „abgetrennt“ und leer.

Neugierig auf das Buch? Lesen Sie hier einen Buchauszug aus “Die Männer auf meiner Couch”.

Brandy Dunn, David Rensin
“Die Männer auf meiner Couch”
320 Seiten
ISBN: 978-3-492-30269-2
erhältlich bei PIPER


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