Nach meiner Erfahrung ist Schnüffeln und Spionieren im Telefon des Partners ein ernstes Warnzeichen, dass die Vertrauensbasis erheblich gestört ist. Entweder weil der betrogene Partner unter großer Verlustangst leidet, die diesem nur durch heimliche Kontrolle beherrschbar scheint. Oder weil der – vielleicht nur vermeintlich – untreue Partner sich derart nicht vertrauenswürdig verhält oder vielleicht sogar unehrlich ist, dass dies als letzte Option erscheint. So nachvollziehbar in manchen Situationen der Wunsch nach Spionieren auch sein mag: Sie können sich auch gleich trennen, dann ersparen Sie sich eine lange, schmerzhafte Trennungsphase. Denn Vertrauen ist das Fundament einer Beziehung. Es gehört viel Mut dazu, vertrauen zu können. Ist das nicht möglich, ist die Partnerschaft gescheitert.
Ich habe nichts zu verbergen!
Wenn Sie sich unsicher sind und der Wunsch nach Kontrolle übermächtig wird: Sprechen Sie mit Ihrem Partner über Ihre Gedanken und die Situation, die diesen getriggert hat. Aber verlangen Sie auf keinen Fall, dass er Ihrem Wunsch nachkommt. Im Gegenteil darf Ihr Partner das nicht, auch nicht mit dem Satz: „Ich habe nichts zu verbergen!“ Damit würde er Ihren Wunsch legitimieren und Ihre Verlustangst stärken. Sie würden unweigerlich in eine Abwärtsspirale des Vertrauensverlustes geraten und vielleicht für den Moment eine Erleichterung verspüren, aber in Wirklichkeit mittel- oder langfristig Ihre Beziehung aufs Spiel setzen.
Das bedeutet nicht, dass Sie nicht auf Ihr Bauchgefühl hören sollten. Die menschliche Intuition ist ziemlich gut. Dieser diffuse Eindruck, dass irgendetwas nicht stimmen kann, kommt meist daher, dass die Verhaltensweisen des Partners nicht zusammenpassen und dafür haben Menschen eine feine Antenne. Wenn Ihnen jemand lächelnd entgegenkommt, aber dabei seine Körperhaltung Angriff signalisiert, empfinden Sie dies zumindest als irritierend, wahrscheinlich sogar als bedrohlich. Genauso ist es, wenn Ihr Partner widersprüchliche Signale sendet. Jeglicher Verdacht, begründet oder nicht, schafft Distanz zwischen den Partnern und diese Distanz sorgt umgehend für Furcht vor Verlust der Bindung und diese Angst sorgt für noch mehr Distanz und Trennung.
Je nach Persönlichkeit entwickeln Menschen in dieser Situation Verhaltensweisen, um mit ihrer Furcht umzugehen. Beispielsweise eben Nachspionieren. Doch weil dies ein Tabu ist und jeder weiß, dass es nicht okay ist, sorgt schon allein das schlechte Gewissen für noch mehr Distanz – wo doch der Anlass zur Spionage der Wunsch nach wieder mehr Nähe war. Ein Teufelskreis. Denn allein mit Nähe lässt sich Nähe schaffen und nicht mit Distanz. Im Gegenteil: Distanz führt dazu, dass die Partner Nähe außerhalb der Beziehung suchen. Zunächst vielleicht bei Freunden oder Arbeitskollegen, denen man sich anvertraut mit seinen Beziehungsproblemen. Damit wird die Exklusivität mit dem Partner zuhause gestört und der Grundstein für eine Affäre erst gelegt. Die meisten Affären beginnen nämlich genau an dieser Stelle und mit Arbeitskollegen oder Freunden. Der verlustängstliche Partner treibt den anderen geradezu in die Arme einer Affäre. Distanz ist der Hauptgrund für Affären, weil Menschen Nähe benötigen.