Bindungsstörung? Vermutlich nicht

Du willst mehr Nähe, dein Partner lieber mehr Distanz? Du hast Verlustangst, er Bindungsangst? Leidet ihr nun unter Bindungsstörungen? Entspannt euch, ziemlich sicher nicht, weiß beziehungsweise Chefredakteur und Paarberater Eric Hegmann

Wer von Bindungsstörungen im Rahmen von Beziehungen oder der Partnersuche spricht, der meint heute meist extreme Ausprägungen beim Nähe-Distanz-Bedürfnis eines Menschen, die zu Verhaltensweisen führen, die eine ausgewogene Beziehungs-Dynamik unmöglich machen. Beispielsweise zeigt sich Verlustangst durch übermäßiges Klammern und unverhältnismäßigen Einsatz für eine aussichtslose Beziehung oder anhaltendes Bemühen um einen nicht erreichbaren Partner. Dagegen zeigt sich Bindungsangst durch ein übermäßiges Bedürfnis nach Autonomie, extrem ausgeprägter Wunsch nach Selbstkontrolle und geradezu eine panische Angst vor Fremdbestimmung und Aufgabe des eigenen Ichs in einem gemeinsamen Wir.

Was ist eigentlich eine Bindungsstörung?

In der Medizin hingegen ist eine Bindungsstörung ein pathologisches Beziehungsmuster von Kindern gegenüber ihren Bezugspersonen. Nach dem ICD-10 unterscheidet man die “Reaktive Bindungsstörung des Kindesalters (F94.1)” und die “Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung (F94.2)”. Beide Störungen werden unter der Kategorie “Verhaltens- und emotionale Störung mit Beginn in der Kindheit und Jugend” aufgeführt. Bindungsstörungen beginnen meist in den ersten 5 Lebensjahren. Ursachen für Bindungsstörungen von Kindern sind Vernachlässigung und das Fehlen von Rückhalt, Geborgenheit und emotionaler Nähe. Auch traumatische Erlebnisse können zu Bindungsstörungen führen.

Um Bindungsstörungen zu verstehen, braucht es einen Blick auf die Bindungstheorie von John Bowlby. Der britische Kinderarzt, Kinderpsychiater und Psychoanalytike lebte von 1907 bis 1990. Er gilt als der Begründer der Bindungstheorie. 


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