Alles, was bleibt, ist ein Schatten

Pauls Worte trafen uns völlig unvorbereitet. Sie fühlten sich an wie Stiche ins Herz. Wie verletzt mein Partner war, merkte ich allein schon daran, dass er ohne ein weiteres Wort herausrannte. Er wartete nicht einmal auf mich. Ich hatte nach dem langen Tag die hohen Schuhe abgestreift und musste sie erst wieder anziehen. Doch leider war ich zu langsam und Pauls messerscharfe Worte trafen mich. Ich versuchte, so gut es ging, meinen Partner zu verteidigen und verließ das Schlachtfeld.

Die Stille nach dem Kampf

Nach der Situation kam das große Wunden lecken. Ich hörte meinem Partner wochenlang jeden Tag zu, wie er sich über seinen Bruder aufregte. Ich nahm ihn oft in den Arm und versuchte, ihn zu beruhigen. Gleichzeitig gab ich ihm Ratschläge, dass er und Paul sich aussprechen sollten.

Doch auch ich hatte Wunden davongetragen. Mein Herz blutete, denn für mich bedeutete das, was am 10. Dezember vorgefallen war, teilweise den Verlust meines Zuhauses. Ja, das ist die Familie meines Partners für mich: ein Zuhause. Doch Paul gehörte nun nicht mehr zu dem Teil, bei dem ich mich geborgen und geliebt fühlte.

Jedes Mal, wenn wir Paul begegneten, herrschte eine seltsam angespannte Stimmung. Es gab keine Gespräche, nicht mal ein „Hallo“. Auch nicht, wenn wir ihn begrüßten. Mein Partner interpretierte automatisch jeden Blick, jede Geste seines Bruders. Ich fühlte einfach nur … Ja, was fühlte ich eigentlich? Es war eine Mischung aus Wut, Hilflosigkeit, Unsicherheit und Traurigkeit, glaube ich.

Nach quälenden 15 Tagen mit dieser Situation fasste mein Partner sich ein Herz und redete mit seinem Bruder. Dieser gab zu, sich in Dinge eingemischt zu haben, die ihn nichts angehen. Entschuldigt hat er sich bis heute nicht bei uns. Angesehen habe Paul ihn während der gesamten Unterhaltung nicht ein Mal, erzählte mein Partner mir später. Von einer wirklichen Klärung des Streits kann man also nicht sprechen.

Auch, wenn das Verhältnis zwischen meinem Schwager, meinem Partner und mir sich wieder etwas entspannt hat … In mir bleibt eine große Unsicherheit zurück. Wir wissen nun, wie Paul über uns, insbesondere aber über meinen Partner denkt und das macht mich unheimlich traurig. Was bleibt, ist die Angst vor dem Supergau, einem Kontaktabbruch. Was bleibt, ist die Angst vor einer nächsten „Explosion“. Und was bleibt, ist ein Schatten, über meinem sonst so sonnigen Familienidyll.


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