Kann ich nicht einfach wieder Geliebter sein?

Teresa und Peter haben sich bei der Arbeit kennengelernt. Sie sind beide Psychologen und leiten eine therapeutische Einrichtung. Peter fing nach Teresa an. Schon als er sich ihr zum ersten Mal vorgestellt hat, bekam er weiche Knie. Er war vom ersten Tag an in sie verliebt –und bereit für eine Beziehung.

Teresa kann Peter nicht folgen

Sie versteht sein Liebeskonzept nicht. Ihre Meinung ist: Wenn man aus einer heimlichen Zweier-Liebe eine offizielle Liebe macht, wenn man vor der ganzen Welt bekundet, dass man sich liebt und miteinander alt werden will, dann ist die Liebe eben nicht mehr privat. Sie findet nicht mehr ausschließlich im stillen Kämmerlein statt. Teresa interessiert sich sehr für die Belange von Peters Familie und ist bereit, sich hier zu engagieren. Das will Peter aber gar nicht. Er ist kein Familienmensch, er sieht seine Eltern zwei Mal im Jahr, Geschwister hat er keine. 

Er vermisst es, ihr Geliebter zu sein

„Es ist absurd, Teresa und ich passen so perfekt zusammen“, klagt Peter. „Es kann doch nicht sein, dass unsere Ehe in eine ernsthafte Krise gerät, weil ich mich einfach als der Mann von Teresa sehe und nicht als der Schwager, Schwiegersohn, Patenonkel, Trauzeuge und was es nicht alles noch gibt. Aber unsere Ehe ist schon angeschlagen, weil ich keinen Hehl mehr daraus mache, dass ich keinen Bock habe auf den ganzen Wirbel. Teresa fühlt sich von mir allein gelassen. Ich verstehe das, und mir tut das so leid. Dennoch, ich kann aus meinem Herzen keine Mördergrube machen. Ich träume von den alten Zeiten. Ich kann mir das richtig toll vorstellen, wenn es wieder so wäre, ich als ihr Geliebter, der immer für sie da ist, aber eben für sie allein.“ 

Teresa: „Man muss das mal in Gedanken durchdeklinieren. Wir lassen uns also wieder scheiden, obwohl wir uns sehr lieben. Ich gehe meinen familiären und gesellschaftlichen Verpflichtungen und Neigungen fortan allein nach. Und wenn ich fertig bin mit einem Event, dann gehe ich zu meinem Geliebten, der eigentlich mein Mann ist. Peter meint das nicht ernst, dass wir uns wieder scheiden lassen. Er hat ja nicht den Verstand verloren.

Aber er will aus diesem Ehemann-Status irgendwie raus

Er will sich sozusagen rausmogeln. Er überlegt sich Ausreden, wenn wir eingeladen sind. Ich ertappe ihn dabei. Was uns beiden gerade nützt und unsere Beziehung schützt, ist, dass wir Psychologen sind. Wir können reden. Ich fühle mich nicht so angegriffen, wie ich mich angegriffen fühlen könnte. Ich schaue mir das alles einfach an, ohne zu bewerten. Das versuche ich. Und es gelingt mir bis jetzt ganz gut. Ich frage mich, ob es hier einen Mittelweg gibt, einen Kompromiss. Dafür müsste ich Gewohnheiten und Rituale aufgeben, die ich mein Leben lang gepflegt habe. Das ist eine merkwürdige Vorstellung, sie schreckt mich. Andererseits, ich habe schon mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt, als ich mich entschieden habe, meinen Ex zu verlassen.

Der ist übrigens stets bereitwillig mitmarschiert auf jede Party. Das war seine Idee von Partnerschaft. Er war in seiner Beziehung zu mir viel mehr nach außen gerichtet als Peter. Und eigentlich finde ich das wunderbar, dass Peter im Verhältnis zu mir nach innen gerichtet ist. Er ist auf mich ausgerichtet, ohne von mir abhängig zu sein. Vielleicht müsste ich den Mut haben, hinter ihm zu stehen. Meinen Leuten zu sagen, passt auf, der Peter, der ist mein Seelenverwandter und darauf kommt es mir an. Das ist meine neue Gegenwart und meine Zukunft. Er ist jedoch nicht so der Gesellschaftsmensch. Das teilen wir nicht. Richtet Euch darauf ein, dass er öfter mal zu Hause bleibt. Das ist nicht böse gemeint.

Das ist sein Naturell

Womöglich kann auch ich öfter zu Hause bleiben. Allerdings möchte ich stets für echte Notfälle aus meinem Umfeld präsent sein. Wenn meine Schwester mich braucht, dann werde ich da sein. Ich will für meinen Vater da sein, wenn er Hilfe braucht. Ich glaube, das versteht Peter, dass ich diese Kontakte nicht reduzieren kann und will. Er „muss“ eben einfach „nur“ nicht mehr mit auf die Feste oder selten. Dahin könnte die Reise gehen. Wenn es denn auch wirklich daran liegt, dass Peter sich nach seiner Zeit als mein Geliebter zurücksehnt. Es gibt Momente, da geht mir durch den Kopf: Ob da doch unbewusst bei ihm noch etwas Anderes abläuft? Ich kann es mir nicht vorstellen. 

Peter ist der bewussteste Mensch, den ich kenne. Ich glaube, wir experimentieren in der nächsten Zeit einfach mal herum mit seiner Abwesenheit oder Anwesenheit bei Treffen. Schauen, ob sich Peter dann wieder wohler fühlt als mein Ehemann, wenn der Gruppenzwang weg ist. Wenn nicht, dann kommen wir allein nicht weiter. Dann helfen uns auch unsere Expertisen in Psychologie nicht. Dann müssen wir zu einem anderen Profi, der aus der Distanz heraus einen besseren Blick auf uns hat. Existenziell für unsere Liebe ist, dass sie diese Leichtigkeit zurückkriegt, denn das macht unsere Liebe aus: Tiefe, Leidenschaft, Verbindlichkeit und zugleich Freiheit und Leichtigkeit. “ 


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