Streit mit dem Kindsvater, Familiengericht und Jugendamt – Carola Fuchs hat um ihre Tochter kämpfen müssen. Das hat sie stärker gemacht. Ihr Buch über ihre Erfahrungen macht anderen Frauen Mut, ihre Interessen durchzusetzen. Wir haben mit der Autorin gesprochen
Ihr Buch liest sich wie ein Roman, dabei ist es Ihre eigene, echte Geschichte. Was in Ihrem Leben gibt genügend Stoff für ein Buch her?
Meine Abenteuer mit dem Jugendamt und dem Familiengericht waren in der Tat sehr ergiebig. Die skurrilen Begegnungen mit einem unberechenbaren Kindsvater und mit „einfühlsamen“ Jugendamts-Damen sowie Richtern, die ihre Schubladen pflegen, lieferten ausreichend Stoff für eine unterhaltsame Mischung aus Drama, Krimi und bisweilen absurder Komödie.
Wie kam es, dass Sie vor dem Familiengericht gelandet sind?
Mein Ex-Freund Thomas wollte sein Recht auf Übernachtungen mit unserer gemeinsamen Tochter Katja durchsetzen, obwohl diese gar keine Gelegenheit hatte, das notwendige Vertrauen zu ihm aufzubauen. Er zwang sie zu übernachten, worauf sie Albträume und Verlustängste plagten. Naiv und blauäugig vertraute ich in die Weisheit des bayerischen Amtsgerichts und hoffte auf eine salomonische und vor allem kindgerechte Lösung. Doch dann kam alles ganz anders. Obwohl Thomas ganz offensichtlich seiner Tochter den Umgang verleidete, schob man mir den schwarzen Peter dafür zu.
Ist Ihre Geschichte ein Einzelfall, oder läuft derzeit allgemein etwas schief bei Umgangs- und Sorgerechtsprozessen?
Die große Anzahl an Leserbriefen, die sich in meinem Fall eins zu eins wiederfinden, lässt einen Trend vermuten. Meines Erachtens können wir hier das häufige Phänomen beobachten, dass ein Pendel erst in die beiden Extreme ausschlagen muss, bevor es sich in der goldenen Mitte einpendeln kann. So ist es zur Umkehrung des Unrechts gekommen. Bevor die Väter für mehr Rechte gekämpft haben, hatten auch diejenigen, die im Interesse der Kinder den Kontakt halten wollten keine Chance, wenn die Mutter das aus diversen Gründen nicht wollte. Heute wird behauptet, dass jeder Vater, selbst wenn die Mutter wegen häuslicher Gewalt flüchten musste und die Kinder sich vor ihm fürchten, für die gesunde Entwicklung der Kinder unerlässlich ist. Kommt es zu Problemen, wird die Schuld bei der Mutter gesucht. Im Extremfall verlieren die Mütter sogar das Sorgerecht, wenn sie es nicht schaffen, ihre Kinder zum Vaterbesuch zu motivieren.
Die golden Mitte sähe meines Erachtens so aus, dass man in den hochstrittigen Fällen – das sind nur ungefähr 5% – den Einzelfall betrachtet und schaut, wer von beiden Eltern Sand ins Getriebe streut, anstatt pauschal den einen oder anderen zu bevorzugen. Damit wäre das Wohl der Kinder nicht durch jahrelange Machtkämpfe vor Gericht gefährdet. Allerdings bräuchte man dazu psychologisch ausreichend qualifiziertes Personal bei den Behörden und beim Familiengericht.
Das klingt nach einem schweren Thema. Wie haben Sie daraus einen Unterhaltungsroman gemacht?
Das stimmt, die Geschichte geht ganz bestimmt unter die Haut. Denn die Ungerechtigkeit und das Leiden des Kindes machen ohnmächtig und wütend. Meine Strategie, um Katja und mich einigermaßen unbeschadet durch diesen Wahnsinn zu manövrieren, war eine Kombination aus Pragmatismus und einem humorvollen Blick auf das Aberwitzige der Ereignisse. Deshalb ist das Buch eine unterhaltsame Mischung aus Momenten zum Fäusteballen, zum Kopfschütteln und zum herzhaft Lachen geworden.
Ihr Roman ist gleichzeitig ein Ratgeber. Was würden Sie Eltern raten, die in einer ähnlichen Situation sind?
Ich finde das derzeitige Bestreben, die Kinder nach der Trennung „gerecht“ zwischen Mutter und Vater aufzuteilen problematisch. Säuglinge und Kleinkinder haben andere Bedürfnisse als Schulkinder oder Jugendliche. Diese Bedürfnisse sollten bei der Regelung des Umgangs oberste Priorität haben. Im Zuge der Verletzungen, die mit einer Trennung einhergehen, kann der Blick auf die Bedürfnisse des Kindes zeitweise getrübt sein. Daher würde ich allen sich trennenden Eltern empfehlen, sich professionellen Rat bei Mediatoren zu suchen, um möglichst rasch eine kooperative Ebene im Sinne der Kinder zu erreichen.
Wenn das, wie in meinem Fall, nicht gelingt, weil sich ein Teil vollkommen versperrt, sollte man sich so viel Unterstützung wie möglich holen. Im Freundeskreis, bei Beratungsstellen, einem Kinderpsychologen und bei einem guten Anwalt. Auch im Internet finden sich Angebote. In der Facebook-Gruppe der Mütterinitiative stehen sich betroffene Frauen gegenseitig mit Rat und Tat zur Seite. Durch die große Anzahl an Frauen ergibt sich dort ein riesiger Pool an Erfahrungen und die Solidarität ist groß.
Im Nachhinein: Was würden Sie anders machen? Haben Sie Ihren Kampf auch mal bereut oder bezweifelt?
Darüber habe ich viel nachgedacht und ich finde es unendlich schade, dass kein friedlicher Weg möglich war. Aber die Entscheidung, mein Kind nicht mit Gewalt in das Auto des Vaters zu verfrachten, habe ich nie bereut. Ich hätte mich wie eine Verräterin gefühlt und ich bin überzeugt, dass Kinder durch solche Zwangsübernachtungen zutiefst traumatisiert und entwurzelt werden. Es hat sich in jedem Fall gelohnt, dafür zu kämpfen, dass Katja selbst entscheiden kann, wie oft und wie lange sie ihren Vater sehen will – auch wenn mich der Weg dorthin viele schlaflose Nächte gekostet und mir so manch graues Sorgenhaar eingebracht hat.
Ihr Buch beschreibt einen langen Weg – Was hat Ihnen die Kraft gegeben, durchzuhalten?
Mein Ausgleich war in erster Linie Sport. Damit konnte ich meinen Stresshormonspiegel einigermaßen im Zaum halten und den Kopf frei kriegen. Irgendwann habe ich zudem den Entschluss gefasst, mir mein Leben und das von Katja nicht durch diese Verhandlungen, die sich über Jahre hinzogen, verderben zu lassen. Ich habe ganz bewusste Gegengewichte gesetzt und schöne Tage verbracht. Ein Sommertag im Garten meiner Eltern wirkte wie Balsam und gute Freunde trugen enorm dazu bei, bei Kräften zu blieben. Auch meine Arbeit wirkte manchmal fast therapeutisch. Im 45-Minuten-Takt der Schulstunden konnte ich die mir im Nacken sitzenden Verhandlungen zumindest zeitweise in den Hintergrund drängen. Last but not least hat mir der Wunsch, meiner Tochter das notwendige Urvertrauen, Geborgenheit und ein positives Lebensgefühl zu vermitteln, viel Kraft gegeben. Ihr zuliebe ist es mir gelungen die Belastungen durch die Verhandlungen weitestgehend aus unseren Alltag herauszuhalten.
Wie geht es Ihrer Tochter heute?
Katja musste früh lernen, für ihre Bedürfnisse einzustehen und gleichzeitig war es ihr ein Bedürfnis, ihren Vater so wenig wie möglich vor den Kopf zu stoßen. Dank der kindertherapeutischen Begleitung hat sie von diesen Herausforderungen profitiert. So las ich zum Beispiel vor ein paar Tagen in ihrem Zeugnis der 3. Klasse: „Katja prägte durch ihr rücksichtsvolles Auftreten das Klassenklima in positiver Weise. Durch ihre ausgeglichene Art trägt sie wesentlich zu einer konfliktfreien Atmosphäre bei.“ Heute ist sie also – nicht zuletzt auch wegen meiner optimistischen Lebenseinstellung – ein lebensfrohes Kind, ja, ein richtiger kleiner Sonnenschein.
Nein, nie. Ich dachte eigentlich immer, ich könnte nicht schreiben. Dabei hat es mir dann großen Spaß gemacht und letztendlich habe ich erst durch das mehrmalige Überarbeiten des Manuskriptes das Geschehene und das schreckliche Gefühl der Ohnmacht verarbeiten können. Und wie Goethe schon sagte: „Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.“ Aus dem ganzen Schlamassel ist ein bewegender und humorvoller Roman geworden, der noch dazu vielen Betroffenen Mut macht und Trost spendet. Wenn mir Leserinnen schreiben „Danke, Carola, dass du uns eine Stimme gegeben hast“, dann hat alles sogar einen Sinn gehabt.
Mama zwischen Sorge und Recht
€ 7,95
ISBN 978-3-00-047004-2
erhältlich auf Carola Fuchs’ Homepage